Ich will doch nur küssen
es immer erst einmal Milch und Kekse in der Küche gegeben hatte.
Bei der Erinnerung daran musste Faith lächeln. »Danke, aber wir dürfen nicht vergessen, dass ich nicht mehr hier wohne. Ich kann nicht einfach in deine Küche gehen und etwas essen.«
»Pah.« Rosalita winkte ab. »Du sagst ja selbst – ist meine Küche. Also iss.«
Vielleicht sollte sie zuerst einmal die Lage checken. »Ist Tess da?« Faith wollte wissen, wie es dem Mädchen ging.
»Sie ist mit Mr. Ethan im Wohnzimmer. Sie spielen.«
» Sie spielen ?« Faith musste sich verhört haben.
» Sí . Komm.«
Faith folgte Rosalita in das große Zimmer im hinteren Teil des Hauses, aus dem Rockmusik und Gitarrenklänge an ihr Ohr drangen. Je näher sie kamen, desto lauter wurde es.
Faith blieb wie angewurzelt an der Türschwelle stehen, als sie zu ihrer Verblüffung sah, dass Ethan und Tess vor einem riesigen Flatscreen-Fernseher herumalberten, der Faiths Pläne für das Zimmer völlig über den Haufen warf. Ethan hielt eine E-Gitarre in den Händen, auf der er zur Musik und dem auf dem Bildschirm vorgegebenen Rhythmus spielte, während Tess ihn anbrüllte in dem Versuch, ihn aus dem Konzept zu bringen. Da schien eine Art Wettkampf im Gang zu sein.
Faith wurde unversehens ganz warm ums Herz vor Freude. Sie war nicht sicher, was sie mehr erstaunte: dass die beiden etwas zusammen machten, oder dass sie sich dabei so prächtig miteinander amüsierten. Sie kicherten und lachten so hemmungslos und aus tiefstem Herzen, als hätten sie einen Riesenspaß.
Nur mit Mühe konnte sie sich von dem sich ihr bietenden Anblick losreißen, um sich nach Rosalita umzusehen, doch die hatte sich heimlich, still und leise zurückgezogen und sie allein gelassen.
Tess hatte endlich ihre Militärjacke abgelegt und trug nur noch eine Cargohose und ein kurzärmeliges T-Shirt, aus dem ihre dünnen Arme hervorlugten. Sie hüpfte aufgeregt auf und ab und wirkte fröhlicher und lebhafter, als Faith sie je zuvor erlebt hatte. Die Verwandlung der Kleinen ging ihr durch und durch. Sie strahlte förmlich von innen heraus, und ihre Augen funkelten vor Vergnügen. Angesichts dieser bemerkenswerten Verwandlung hatte Faith plötzlich einen Kloß im Hals.
Genau wie seine Schwester wirkte auch Ethan wie ausgewechselt. Er hatte seine Maske der Coolness abgelegt, und dahinter war eine jüngere Version seiner selbst zum Vorschein gekommen, deren ungewohnte Unbeschwertheit Faith erstaunlich attraktiv fand. Bislang hatte sie vor allem seine düstere, nachdenkliche, eindringliche Art gereizt. Doch dem Charme und der Anziehungskraft, die er jetzt ausstrahlte, konnte sie noch viel weniger widerstehen.
Die beiden waren so sehr in ihr Duell vertieft, dass sie Faith gar nicht bemerkten. Als das Lied schließlich zu Ende war und Faith unwillkürlich applaudierte, um ihrer Bewunderung für sein Gitarrenspiel Ausdruck zu verleihen, fuhren die beiden jäh herum.
»Faith!«, rief Tess, als sie sie erblickte. Ihre Wangen waren gerötet vor Aufregung. Nicht zu fassen, dass sie endlich aus ihrem Schneckenhaus herausgekommen war. »Spielst du mit? Ich zeig’s Ethan gerade so richtig!«
»Von wegen. Ich liege vorn, Dumpfbacke«, sagte er zu Tess, doch der Blick seiner dunklen Augen ruhte auf Faith.
»Aber nur, weil ich in dieser Runde noch nicht dran war. Gib mir die Gitarre, dann zeige ich euch mal, was ich draufhabe.«
Ethan reichte ihr die Gitarre, und Tess nahm das Instrument entgegen und legte sich den Gurt um die Schulter.
»Wenn ich diese Runde gewinne, musst du morgen mit mir zum Strand fahren«, sagte sie.
Ethan musterte sie mit schmalen Augen. »Und wenn ich gewinne, dann trennst du dich von deinen schwarzen Klamotten und gehst mit Faith neue Sachen kaufen.«
Er schielte zu Faith, und sie nickte ihm kaum merklich zu. Natürlich würde sie mit Tess shoppen gehen. Sie konnte es ihm nicht verdenken, dass er einfach so über ihre Dienste verfügte – wen hätte er sonst fragen sollen?
Tess hielt einen Augenblick inne, um über den Vorschlag nachzudenken.
Damit wird sie nie einverstanden sein , dachte Faith.
Doch dann huschte ein spitzbübisches Grinsen über Tess’ Gesicht.
»Abgemacht.«
Faith schluckte schwer. Hier hatte sich ja einiges getan. Das Verhältnis der beiden hatte sich ganz gewaltig verändert, auch wenn sie nicht wusste, warum, und sie sich den Grund dafür beim besten Willen nicht vorstellen konnte.
»Seid ihr bereit?«, fragte Tess.
»Tu mir einen Gefallen und üb
Weitere Kostenlose Bücher