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Ich will doch nur normal sein!

Ich will doch nur normal sein!

Titel: Ich will doch nur normal sein! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina J.
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– nichts.
    Würde ich mich wagen, ihn zu fragen, wenn es möglich wäre? Ich weiß es nicht, aber ich hoffe, ich hätte den Mut dazu. Würde ich vor Wut auf ihn einprügeln, wenn ich es jetzt könnte? Ich hoffe es – ich weiß es nicht. Wie es mir jetzt geht? Noch schlechter, als ich hier reinkam. Und wie soll ich damit fertig werden? Ich weiß es nicht? Verdammt noch mal, ich weiß es nicht. Ich kann es nicht aushallen, wenn ich daran denke und um es auszuhalten, schneide ich mich, schneide mich immer und immer wieder in den Arm. Ich habe mich sonst auch geschnitten, aber so, wie jetzt hat mein Arm noch nie ausgesehen Es reicht trotzdem nicht, um es auszuhalten.

    12.01.2005 Brief an eine Tote

    Ich kannte dich nicht – sah dich aber sterben.
    Wie alt warst du? 6 oder 7 Jahre alt? Ich glaube, ich war 8 Jahre.
    Es ist lange her, genau 42 Jahre und nun ist es da. Ich stehe an der Tür, bin noch nicht dran. Mein Opa hält mich am Strick um den Hals fest.
    Zwei Schritte von mir entfernt liegst du und sie tun dir weh – schrecklich weh. Ich sehe, wie du zusammenzuckst und höre Deine Schreie, kann nicht zu dir – werde festgehalten und fürchte mich sehr.
    Aber ich kann nicht weg sehen, nicht weg hören. Zwei Schritte von mir entfernt ist Dein köpf und fallen Deine Haare nach hinten. Ich weiß nicht, ob ich weinte – ich weiß nur, was vor mir geschah.
    Sie quälten dich und taten dir schrecklich weh. Ich konnte nicht helfen, konnte nicht zu dir. Ich hatte einen Strick um den Hals und wurde festgehalten und ich schämte mich, weil ich außer dem Strick nackt war. Starr und steif stand ich da und musste zusehen, wie du stirbst. Dein Schreien wurde leiser und hörte auf und deine Fäuste öffneten sich und Deine Hände lagen auf einmal einfach locker da. Dein Kopf rollte zur Seite und dann war es still – ganz still.
    Sie sahen sich an – erschrocken. Sie sahen mich an – überlegend. Ich bekam Angst – werde ich auch gleich so da liegen, wie du? Sie schafften dich raus, Dein Kopf fiel nach hinten. Ich konnte Dein Gesicht sehen. Deine Mundwinkel waren blutig.
    Überall waren blaue und blutige Flecken an dir. Du warst jünger als ich und bist gestorben.
    Sie haben es getan. Sie haben dich so gequält, dass du gestorben bist. Ich wünschte, ich wäre an Deiner Stelle gewesen – vielleicht wäre ich nicht gestorben, denn ich war schon oft mit Opa dort.
    Aber du bist gestorben.
    Ich wollte helfen – konnte nicht helfen. Es tut mir leid. Ich wünschte, ich wüsste wenigstens Deinen Namen.
    Was haben sie mit dir gemacht? Hat Deine Familie je erfahren, was Dir passierte? Ich weiß es nicht.
    Es ist so schlimm für mich, dass ich nicht weiß, wo, wann und durch wen es passierte – dabei stand ich 2 Schritte davor und musste zusehen.
    Es hat über 40 Jahre gedauert, diese grauenvollen Minuten wieder zu sehen. Ist es meine Schuld, dass es so lange dauerte? Nun muss ich damit leben, bei Deinem Tod zugesehen zu haben. Ich weiß nicht, wie ich das schaffen werde, damit zurecht zu kommen, dass ich nichts tun konnte.
    Erst habe ich mir gewünscht: „Ich will es nicht wissen.“ Dann: „Nein, es ist nicht passiert.“
    Aber es ist passiert und ich weiß es. Ich konnte dir nicht helfen, aber ich habe dir auch nicht wehgetan – es hat mir mit wehgetan, was sie mit dir machten. Ich habe Deine Schmerzen mitgefühlt, ich wollte nicht, dass du stirbst.
    In den letzten Tagen habe ich gedacht, ich halte es nicht aus – damit zu leben, was ich 2 Schritte vor mir gesehen habe.
    Jetzt habe ich das Ziel, es auszuhalten, damit du nicht vergessen wirst.
    DENN ICH WERDE DICH NICHT VERGESSEN – du hast es nicht verdient, vergessen zu werden.
    Sicher, Deine Familie wird dich nie vergessen – sie kennt Deinen Namen und den Tag an dem Du verschwandest. Ich kenne Deinen Namen nicht, aber ich weiß, wie grauenvoll du gelitten hast, ehe du gehen konntest, um nicht mehr zu leiden.
    Armes unbekanntes Mädchen ich werde immer an dich denken, so als hätte ich dich ein Leben lang gekannt.
    Tina

18.1.2005

    Viele Tage habe ich nicht mehr am Computer gesessen – ich bin weggelaufen davor. Wollte nicht daran denken, was passiert ist. Aber ich habe daran gedacht – innen in mir drin – es ist immer da – außen sieht man nichts und ich sage auch nichts mehr, weil es so schlimm ist und ich mich so schlecht fühle deswegen. Wieso lebe ich und nicht dieses Mädchen? Wieso? Wieso war es möglich, dies so lange nicht mehr zu wissen? Wie kann man

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