Ich will doch nur normal sein!
Suizidgefahr die Station nicht ohne Begleitung verlassen), gewagt, mich um 17.00 Uhr abends noch mal runter zu Herrn Dr. S. vor die Tür zu stellen.
Ich hatte mein Tagebuch dabei und wollte ihn lesen lassen, was los ist, warum es mir so schlecht ging und weshalb ich nicht mehr folgen konnte. Es war noch ein Patient zum Gespräch bei ihm drin und ich habe die ganze Zeit, die ich draußen gewartet habe, es waren ca. 40 Minuten, gekämpft, ob ich bleibe oder wieder auf mein Zimmer gehe. Außerdem hatte ich Angst, Ärger zu bekommen, weil ich ja die Station nicht allein verlassen durfte. Ich habe gewartet und je länger ich gewartet habe, umso unsicherer bin ich geworden. Am liebsten wäre ich weggelaufen, aber ich wusste, das ist falsch, ich muss mit ihm sprechen und zwar heute noch, wenn er Zeit für mich hat.
Dann ging endlich die Tür auf, der andere Patient wurde verabschiedet und Herr Dr. S. bat mich ins Zimmer rein. Ich habe mich erst mal für die späte Störung entschuldigt, es war inzwischen fast 18.00 Uhr und ich bin einfach oben abgehauen. Ich habe ihn gefragt, ob er ein paar Minuten Zeit für mich hat und gesagt, dass ich ohne mich abzumelden oben abgehauen bin und nun Angst habe Ärger zu bekommen. Ich hatte aber auch Angst, sie lassen mich heute nicht mehr zu ihm und bis morgen könnte ich es nicht mehr aushalten, ohne Dummheiten zu machen. Ich musste einfach sehen, dass ich heute noch eine Lösung finde, weil ich nicht weiß, wie ich das weiter aushalten und schaffen kann. Es ist zu schwer.
Ich wusste einfach, wenn ich es heute nicht noch versuche, dann wird die nächste Nacht zur Hölle und dann ist es das Wenigste, wenn ich nicht schlafen kann – es wird schlimmer, wenn ich nicht versuche, mir Hilfe zu holen. Ich hatte wirklich Angst vor dieser Nacht und vor meinen Reaktionen!
Herr Dr. S. hatte, wie immer Zeit für mich und ich bin sehr dankbar dafür, weil ich schon ein paar Mal zu ihm gegangen bin, wenn ich wirklich nicht mehr zurecht gekommen bin und wenn es zu schlimm war und ich wusste, ich schaffe es jetzt nicht mehr ohne seine Hilfe.
Als ich vor der Tür gestanden habe, habe ich die ganze Zeit, fast ein 1Stunde überlegt, ob ich wieder weglaufen oder ob ich bleiben soll. Ich hatte mein Buch dabei und wusste, was drin steht. Ich wusste, ich kann es nicht erzählen und fürchtete mich davor, es lesen zu lassen. Ich schämte mich so sehr. Ich hatte vor, ihm das Buch nur zu geben und gleich wieder zu verschwinden. Ich habe nur erklärt, wie das letzte bzw. die letzten Einzelgespräche für mich gelaufen sind und, dass ich so nicht mehr weiter weiß und kann. Wenn ich das jetzt nicht lesen lasse, dann weiß ich nicht mehr weiter, denn das, was im Buch steht, füllt mich zu sehr aus, besitzt mich, beherrscht mich und erstickt mich, wenn ich es nicht loswerde. Aber es ist so, dass ich nur, indem ich es lesen lasse, was ich da geschrieben habe, erklären kann, wie schlecht es mir geht. Das ich nicht mehr weiß, wohin mit mir, wenn ich mich ständig in dieser Situation fühle. Ich komme da nicht mehr raus, hänge da fest. Es geht nicht mehr, ich halte es nicht mehr aus, ohne Angst davor, verrückt zu werden oder mich umbringen zu wollen.
Ich will es niemanden zumuten und schweige und bin zugleich wütend, weil es so schlimm ist, dass ich es niemandem zumuten kann und schweigen muss.
Die Angst durchzudrehen ist so stark, wie der Ekel, der Schmerz, die Angst, die Scham. Alles ist da und ich weiß nicht, wohin mit mir und dem Ganzen.
Ich will mich nicht umbringen, aber wenn es so ist, will ich am besten weg (tot) sein.
Manchmal schaffe ich es kurz, mich auszuklinken, mich ruhig zu machen, wegzutreten. Aber nur kurz und dann ist es wieder da. Oft war es so, ich hatte den Wunsch, zu schreien, zu heulen, um mich zu schlagen, drauflos zu treten. Ich kann nichts davon – es geht nicht, es geht einfach nicht. Es ist einfach grauenvoll, diesen Kopf zu haben und nicht zu wissen, wohin damit. Am liebsten hätte ich meinen Kopf gegen die Wand geschlagen, um alles zu vertreiben. Hab es auch probiert -. es funktioniert nicht. Nachts oder am Tag – egal, es war immer da, immer in meinem Kopf, immer in meinen Gedanken. Seit 6 Wochen weiß ich es wieder und lebe damit und muss schweigen und halte es nicht mehr aus, zu schweigen. Egal, was jetzt passiert, ich lasse es Herrn Dr. S. lesen. Ich werde ja sehen, wie der dann auf mich reagiert – umbringen kann ich mich dann immer noch, wenn er sich vor mir ekeln
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