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Ich will doch nur normal sein!

Ich will doch nur normal sein!

Titel: Ich will doch nur normal sein! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina J.
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wissen.
    Das war schon schlimm für mich. Ich wusste doch, dass ich mich melden soll und habe es nicht getan. Später war dann die Visite und in der Visite bekam ich von Herrn Dr. S. auch noch einmal gesagt, dass ich mich melden müsse. Das kleine Mädchen, das ich dann immer bin, wusste, ich habe nicht gefolgt, ich war nicht brav, habe die Großen geärgert und bekomme jetzt Schimpfe. Dabei will ich immer brav sein, so wie früher – ich musste brav sein, sonst wurde es ganz schlimm für mich. Nun, hier wurde es nicht ganz schlimm für mich – aber die Gefühle waren so wie ich mich als Kind gefühlt habe. Mein Gott, soll ich wirklich jeden Tag sagen müssen: „Ich habe solche Kopfschmerzen, ich kann nicht.“ Wenn die wüssten, wie schwer es ist, das zu tun und wenn die wüssten, wie ich mir dabei vorkomme. Aber das können die nicht wissen. Nur ich weiß es und deshalb ist es eben einfach zu schwierig, mich zu melden. Lieber würde ich aufstehen und mich mit den schlimmen Kopfschmerzen den ganzen Tag herum plagen, statt zu klingeln und zuzugeben, dass ich nicht okay bin.
    Heute früh kam es dann eben von 2 Seiten und sie hatten ja Recht. Es ist nun mal so, dass sich jeder melden soll, wenn er nicht fähig ist seine Therapie einzuhalten. Aber ich kann mich nun mal nicht jeden Tag mit demselben Gejammer melden, ich komme mir dabei so schrecklich faul vor. Aber es war nicht richtig von mir. Jetzt denke ich, wenn ich mich geschnitten hätte, dann wären die Kopfschmerzen vielleicht nicht so stark und ich hätte aufstehen können und ich bin wütend auf mich deswegen. Jeden Tag läuft es gleich ab, ich kann nicht aufstehen, liege bis gegen 9 oder 10.00 Uhr im Bett, quäle mich dann aufzustehen und gegen Mittag sind die Kopfschmerzen dann auf einmal fast weg und ich denke, mir geht es gar nicht so schlecht, ich muss mich nur zusammenreißen. Dabei ist es morgens wirklich sehr schlimm. Es ist ein echtes Problem von mir zuzugeben, dass es mir schlecht geht. Je schlechter es mir geht, je mehr achte ich darauf, dass es keiner merkt.
    Was mich auch total nervt ist, dass mir fast jede Mitpatientin sagt, mir sehe man es nicht an, dass es mir nicht gut geht, weil ich so blendend aussehe. In letzter Zeit sage ich dann immer: „Je besser ich aussehe, je schlechter geht es mir.“ Klingt blöd – ich weiß, aber genau darauf achte ich. Keiner soll merken, wie es mir geht, wie es in mir aussieht – genauso, wie ich es als Mädchen und fast mein Leben lang tun musste, damit keiner merkt, was für Eine ich bin. Genau das ist es. Es ist gerade passiert und 5 Minuten später bin ich wieder im Hof oder auf dem Spielplatz gewesen und keiner hat gemerkt, was ich gerade Schlechtes getan habe. Ich habe so aufpassen müssen, dass keiner merkt, wie schlecht ich bin, wie dreckig ich bin und wie eklig ich bin. Ich habe immer gut aufgepasst. Ich weiß, ich war immer neben mir und habe jede Bewegung, jedes Wort genau kontrolliert, um genauso zu sein, wie alle anderen Mädchen, die draußen waren. Ich war nicht genauso, ich musste aber genauso sein. Ich musste ja schweigen, ich hatte ja Angst.
    Heute verhalte ich mich noch genauso, sobald ich aus meinem Zimmer gehe, spiele ich eine Rolle – die Rolle, normal zu sein.
    Es wird mir in letzter Zeit aber immer mehr möglich, bei bestimmten Personen zuzugeben, wie es mir wirklich geht, aber meist bagatellisiere ich dann auch noch und tu so, als sei es nur halb so schlimm, obwohl es mir total beschissen geht und ich Angst habe, total zusammenzubrechen.

    22. l0.2002

    Seit mehreren Nächten konnte ich nicht schlafen, ich war am Ende meiner Kräfte und konnte doch nicht liegen bleiben oder sitzen, so unruhig war ich. Jeden Tag habe ich gedacht, heute haut es mich um, heute kann ich schlafen.
    Abends im Bett, ich lag da, war müde und in meinem Kopf raste alles durcheinander herum. Erinnerungen, die Gedanken, die Tagesereignisse, alles lief im Kreis ohne Ende und ohne Anfang in meinem Kopf herum. Nur, wenn ich mich mal hinsetzen konnte und gemalt habe (darüber gemalt habe, wie ich mich fühle), dann habe ich mich auf dieses Bild konzentriert und wurde ruhig und konnte mich entspannen, konnte es herauslassen, in das Bild.
    Es war so, als würde ich mich mit dem Malen dieser Bilder entlasten können. Es gab eine Zeit, da habe ich am Tag und auch in der Nacht gemalt. Was ich nicht sagen konnte, habe ich gemalt. Ich habe gemalt, wie ich mich fühlte, wie es in meinem Kopf aussieht und das ich Angst

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