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Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Titel: Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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Eintrag kriegst? Umarmung <3
    Ich setze mich auf den Toilettendeckel und warte, aber es kommt keine Antwort. Silja hat mal gesagt, sich mit mir zu verabreden sei komplizierter als eine Affäre mit einem verheirateten Mann. Ich muss grinsen. Hier sitze ich und schreibe heimlich eine SMS auf dem Klo, als wäre ich untreu. Im Grunde genommen ist der Unterschied zwischen Liebe und Freundschaft nicht sehr groß. Außer dass Tonja und ich nicht rumknutschen.
    Kaum haben wir unsere Plätze im Werkraum eingenommen, piepst mein Handy, das ich vergessen habe auf lautlos zu stellen. Birgitta sieht mich vorwurfsvoll an. Ich entschuldige mich, worauf Birgitta gnädig nickt und sich wieder ihrer Demonstration von Sticktechniken zuwendet. Letztes Halbjahr haben Tonja und ich Holzarbeiten gewählt, weil ich lieber tischlere. Aber Tonja handarbeitet lieber, darum ist jetzt Handarbeiten dran. Als Birgitta die weißen Stoffstücke austeilt, auf denen wir sticken sollen, und uns auffordert, uns was aus den Mustervorlagen auszusuchen, nutze ich die Gelegenheit, die SMS zu lesen.
    Wenn du dich kurz von Tonja losreißen kannst, komme ich in die Schule. Emil, der Idiot, hat Schluss gemacht. Wollte eigentlich zu Hause bleiben und Bio schwänzen, aber hier Löcher in die Luft zu starren ist noch schlimmer!
    Ich schiebe das Handy unter die Mustervorlage und frage mich, ob sie ernsthaft erwartet hat, dass Emil sich auf eine heimliche Beziehung mit einer seiner Schülerinnen einlässt. Deswegen tut es natürlich nicht weniger weh. Vielleicht ist sie ja wirklich in ihn verliebt. Nachdem ich noch ein wenig darüber nachgedacht habe, zeige ich Tonja die SMS. Sie liest sie und reißt die Augen auf.
    » Der Emil?«, flüstert sie. »Unser Referendar?«
    Ich nicke und überlege, ob es richtig oder falsch war, Tonja die SMS zu zeigen. Aber ich will nicht gleich wieder damit anfangen, Geheimnisse vor Tonja zu haben. Außerdem muss ich es ihr ja irgendwie erklären, wenn ich heute Nachmittag mit Silja zusammen sein will.
    »Ich dachte, das wäre eine einmalige Sache gewesen«, sagt Tonja.
    »Emil offensichtlich auch«, sage ich. »Ist das okay?«
    »Sex mit seinem Lehrer zu haben? Wirklich nicht!«
    »Nein, ich meine, ob es okay ist, wenn ich heute Nachmittag mit Silja zusammen bin?«
    Tonja verschränkt die Arme vor der Brust. »Du kannst zusammen sein, mit wem du willst.«
    »Und du bist deswegen nicht wieder sauer?«
    »Quatsch. Solange ich mich nicht mit Silja anfreunden muss.«
    Ich werfe einen raschen Blick zu Birgitta, die gerade Camilla den Schwierigkeitsgrad eines Musterbogens erklärt und mit dem Rücken zu mir steht, und tippe eine kurze Antwort an Silja.
    Tonja sucht sich ein Stickmotiv mit zwei Katzen in einem Korb aus.
    »Oma wird doch im November siebzig«, sagt sie. »Darüber freut sie sich bestimmt, meinst du nicht?«
    Ich nicke und versuche, mich auf die Bögen vor mir zu konzentrieren. Birgitta geht von Tisch zu Tisch und nähert sich unserem. Ich entscheide mich schließlich für einen Wandbehang mit »Fröhliche Weihnachten« und roten und grünen Girlanden am Rand, ziemlich hässlich. Aber glücklicherweise holt man so was nur für kurze Zeit im Jahr aus der Schublade.
    Nach der ersten Pflichtaufgabe, die in diesem Halbjahr also eine Stickarbeit ist, darf man im Großen und Ganzen machen, wozu man Lust hat. Ich will einen langen Schal stricken, das macht viel mehr Spaß. Letzten Herbst habe ich einen für Papa gestrickt, gestreift in allen möglichen Farben. Er hat den Schal den ganzen Winter getragen, bis weit in den Frühling. Diesmal will ich einen für mich machen, auch so bunt, aber nicht ganz so breit, denke ich. Doch erst einmal die Kreuzstiche bewältigen.
    Ich schaue zu den großen Glasschränken vor der kurzen Wand, in der alle Stoffe nach Farben sortiert liegen. Was man mit ein bisschen Kreativität und dem richtigen Gefühl dafür alles machen könnte, wie Silja.
    Tonja behauptet zwar, sie sei nicht sauer, aber irgendwie ist die Stimmung angespannt zwischen uns, und wieder einmal denke ich, wie zerbrechlich unsere Freundschaft doch plötzlich ist. Noch vor wenigen Wochen hätte uns nichts auseinandergebracht, wir wären beste Freundinnen bis ins Greisenalter geblieben, hätten zeitgleich unsere Kinder bekommen und wären vielleicht sogar zusammen in den Urlaub gefahren. Aber jetzt bin ich beim kleinsten bisschen verunsichert, als müsste unsere Freundschaft jeden Tag oder jede Stunde neu ausgelotet und bewertet

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