Ich will es hart
Leder. Der Geruch von Leder stieg in ihre Nase. Phantastisch.
Bevor der Detektiv sie resolut in sein Zimmer schob, erhaschte sie gerade noch einen Blick auf das Türschild. Eugen Lohmeier, Hausdetektiv. Erst jetzt gab der Mann ihren Arm frei und deutete auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch. Andrea setzte sich. Er selbst lehnte sich mit dem Po an die Tischkante und musterte sie ungeniert von oben bis unten.
Aufgrund der resoluten Stimme und des eher altmodischen Vornamens hätte Andrea erwartet, jetzt in das Gesicht eines Mannes jenseits der fünfzig zu schauen. Stattdessen musste sie feststellen, dass er allenfalls dreißig war, nur wenig größer als sie, muskulös, mit ausgefransten Jeans und einer Lederjacke bekleidet. Die blonden Haare kurz geschnitten, dazu ein schmales Kinnbärtchen. Trotz ihrer misslichen Lage musste sie sich eingestehen, dass er ihr gefiel. Vielleicht gelang es ihr ja, ihn um den Finger zu wickeln.
»Nun, mein Fräulein, Ihren Ausweis bitte, und dann schießen Sie mal los, was Sie sich dabei gedacht haben, ehe ich die Polizei rufe.«
Andrea zupfte an ihrem Ausschnitt. Er war doch nur ein Mann. Irgendwie musste sie ihn erweichen. »Ich – ähm – verdammt! Ich habe so was noch nie gemacht, das müssen Sie mir glauben, Herr – Lohmeier, richtig?«
Er nickte und machte eine Geste, dass er auf ihren Ausweis warte.
Sie kramte in ihrer Handtasche und reichte ihm ihren Personalausweis.
Lohmeier las die Daten. »Andrea Kowalski. Also, was haben Sie denn zu Ihrer Verteidigung zu sagen, Frau Kowalski?« Die Art, wie er Frau sagte, klang aus seinem Mund ein wenig spöttisch.
»Es ist einfach so, ich – ich möchte meinen Freund mit dem Dessous überraschen, also eigentlich möchte ich ihn damit zurückgewinnen, wir haben uns zerstritten, wissen Sie, aber ich kann mir das nicht leisten, und …« Andrea verstummte. Das interessierte den Hausdetektiv bestimmt nicht. Warum erzählte sie es ihm überhaupt? Er betrachtete sie derart streng, als wäre es ihm eigentlich egal, was sie zu sagen hatte, und für ihre Reize schien er sich auch nicht zu erwärmen.
»So, so.« Lohmeier ging um den Schreibtisch herum und nahm den Hörer vom Apparat. »Dann werde ich wohl mal die Polizei informieren, Frau Kowalski.«
In diesem Moment fuhr Andrea ein zweiter Schreck durch die Glieder. Wenn ihr Chef davon erfuhr … Sie sprang auf und beugte sich über den Schreibtisch. »Warten Sie, bitte. Könnten wir das nicht anders regeln? Ich ziehe die Korsage wieder aus und hänge sie zurück. Ich verspreche Ihnen auch, dass ich so was nie wieder mache.«
Lohmeier lachte. »Das sagen sie alle, wenn man sie erwischt. Und ein paar Tage später machen sie es doch wieder.«
»Bitte. Bitte sagen Sie mir, was ich tun muss, damit Sie mich laufen lassen.« Andrea schluckte trocken. »Ich – ich arbeite in einer Rechtsanwaltskanzlei. Wenn mein Chef davon erfährt, wirft er mich bestimmt raus.«
Lohmeier legte den Hörer langsam wieder auf. »Setzen!«
Andrea gehorchte zitternd.
»Ich kann dich nicht einfach so gehen lassen. Du würdest es ja doch wieder versuchen. Allerdings könnten wir darüber verhandeln, ob du eine Bestrafung von mir akzeptierst, damit du dir merkst, dass Diebstahl Konsequenzen hat.«
Sie traute sich nicht, seinem vertraulichen Du zu widersprechen. »Was – was meinen Sie denn damit?«
Lohmeier grinste breit. »Das wirst du dann schon sehen.«
Andrea war unschlüssig. Welches Risiko war größer? Dass ihr Chef von dieser Dummheit erfuhr oder sie dem Vorschlag dieses Fremden nachgab, ohne zu wissen, was auf sie zukam? Eigentlich sah er ganz nett aus, wie er sie mit seinen dunkelbraunen Augen fixierte. Aber vielleicht verbarg er ja sehr gut sein wahres Gesicht.
»Also, was ist?«
»Ja«, stimmte sie kleinlaut zu.
»Schön, gehen wir.« Lohmeier steckte den Ausweis, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag, in seine Jackentasche. »Den behalte ich vorerst, damit du mir nicht davonläufst.«
Widerstrebend folgte Andrea dem Detektiv quer durch die Abteilung bis zu einem Treppenhaus. Die Absätze ihrer Pumps klackerten auf jeder Stufe. Sie traute sich nicht zu fragen, wohin sie gingen.
Lohmeier sprach kein Wort. Unten angekommen, öffnete er eine schwere Eisentür und hieß Andrea vorangehen. Flackernd gingen Neonröhren unter der Decke an. Es schien sich um ein Warenlager zu handeln. Kartons standen dicht an dicht, und sie zwängten sich hindurch. Dahinter befanden sich Möbel, darunter einige
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