Ich will es hart
Sie brauchte Antworten auf ihre Fragen. In ihrem Kopf und ihrem Körper war eine Hitze, die ihr ganzes Denken und Fühlen lenkte.
Das Kaufhaus war groß, und Andrea versuchte, so gelassen wie möglich herumzuschlendern. Wenn sie wie ein gescheuchtes Huhn herumrannte, fiel sie bestimmt unangenehm auf. Im Stillen hoffte sie, dass Lohmeier sie beobachten und ansprechen würde, aber nichts geschah. Mit jeder Minute, die sie ihn nicht fand, wurde das aufgeregte Kribbeln in ihrem Körper schlimmer, und sie hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Musste sie erst etwas Neues anstellen, damit er seine Züchtigung von gestern wiederholte, oder würde er es auch so machen, einfach weil er Spaß daran hatte?
Als sie gut eine halbe Stunde ohne Ergebnis herumgelaufen war, suchte sie sein Büro auf. Ein letztes Zögern, dann klopfte sie an die Scheibe aus geriffeltem Glas, das in die Türfassung eingesetzt war.
»Herein!«
Andrea drückte die Klinke herunter, ging schwungvoll hinein und erstarrte. Der Mann hinter dem Schreibtisch war nicht der, den sie erwartet hatte. Mit den sehr graumelierten Haaren und etwas faltigen Gesichtszügen hätte er ihr Vater sein können. Er trug ein hellbraunes Wolljackett über einem schwarzen Rollkragenpullover. Mit hochgezogenen Augenbrauen schaute er sie an.
»Äh, Entschuldigung, aber ich wollte eigentlich zu Herrn Lohmeier.«
Der Mann nickte. »Da sind Sie hier richtig.«
»Aber …« Andrea machte eine hilflose Geste.
»Ich bin Eugen Lohmeier. Haben Sie einen Diebstahl zu melden, oder wie kann ich Ihnen helfen?«
»Äh, nein. Ich – ich war gestern schon mal hier. Aber der Herr Lohmeier – der – der war viel jünger.«
Der Mann runzelte die Stirn. »Wie meinen Sie das?«
»Äh, ja. Es muss sich wohl um eine Verwechslung handeln.« Andrea zuckte unschlüssig und verlegen mit den Schultern.
»Wie sah der Mann denn aus?«
»Na ja, blond, schlank, jung.« Andrea schluckte. Sie sah den vermeintlichen Lohmeier ganz deutlich vor ihrem inneren Auge. »Er trug eine Lederjacke.«
Lohmeier schüttelte den Kopf. »Dazu fällt mir im Augenblick niemand ein. Sieht so aus, als ob sich jemand einen schlechten Scherz erlaubt hat.«
»Ist schon gut«, murmelte Andrea. »Auf Wiedersehen.«
Sie drehte sich um, und auf einmal hatte sie es sehr eilig. Als wäre der Teufel hinter ihr her, hastete sie zur nächsten Rolltreppe, wäre fast gestürzt, als sie diese hinunterlief, und blieb erst stehen, als sie draußen war. Da begegnete ihr der aufregendste Liebhaber schlechthin – und verschwand gleich wieder aus ihrem Leben. War das die Vergeltung für ihr eigenes Verhalten?
Ihre Schritte führten sie wie von selbst die Fußgängerzone hinauf, zwischen den Menschen hindurch, bis sie sich vor einem Schaufenster wiederfand. Aber sie sah nicht die angepriesenen Artikel, sondern nur ihr Innerstes, das aufgewühlt war wie noch nie.
Auf einmal legte sich ein Arm um ihre Taille, und ein Körper presste sich an ihren Rücken, zog sie fest zu sich. Warmer Atem streifte ihr Ohr. In derselben Sekunde, als sie empört protestieren und sich gegen diese Umarmung zur Wehr setzen wollte, trafen sich die Blicke ihrer Spiegelbilder.
Tango d’Amour
Es war schon spät, als Justin Lorenz durch den Ausgang des Edelrestaurants nach draußen trat. Es nieselte ein wenig, und er schlug den Kragen seines Mantels hoch. Zufrieden mit sich und dem Verlauf des Geschäftsessens schlenderte er die Straßen entlang. Nach diesem langen Arbeitstag tat es gut, noch eine Weile zu Fuß zu gehen.
Er hatte seinen Wagen absichtlich in der Tiefgarage der Firma stehen gelassen, als er sich zu diesem Termin aufgemacht hatte. Denn er kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, dass er entweder der Versuchung nicht widerstehen würde, ein Glas mehr zu trinken, als der Sicherheit seines Führerscheins dienlich war, oder gerade diesen kleinen Fußmarsch genießen würde. Und wenn nicht – wozu gab es Taxis.
Straßenlaternen und Schaufensterbeleuchtungen bestrahlten die Fußwege so hell, dass man fast vergessen konnte, dass es später Abend war. Er überquerte die Straße, und obwohl er nicht besonders schnell ging, holte er bald eine Frau ein, die vor ihm ging. Kopfschüttelnd registrierte er, wie bei jedem Schritt die Preiskleber unter ihren Schuhen aufblitzten.
Wie konnte man nur so nachlässig sein! Eines seiner wichtigsten Prinzipien war, immer von Kopf bis Fuß perfekt gestylt auszusehen. Diesen Eindruck machte im Grunde
Weitere Kostenlose Bücher