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Ich will es hart

Ich will es hart

Titel: Ich will es hart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sira Rabe
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nehmen? Genauso gut kann es jeder andere hier im Raum sein. Ein für ihn selbst völlig ungewohnter Pessimismus hatte ihn befallen, und sein Herz setzte fast aus, als sich ihre Blicke trafen und ihr Mund ihn aufforderte, zu ihr zu kommen. Für einen Augenblick dröhnte sein Blut so in seinen Ohren, dass er ihre Worte nicht verstand, nur die Bewegung ihrer Lippen wahrnahm.
    Ich. Sie meint mich? Wirklich?
    Seine Füße setzten sich wie von selbst in Bewegung.
    Und wie von selbst nahm er dann auch ihre Hand, nahm die Ausgangsposition ein, und wie von selbst begann er sich mit dem Einsetzen der Musik zu bewegen und fand zu seinem selbstbewussten Auftreten zurück.
    Justins Befürchtung, er könne in den letzten Jahren alles verlernt haben oder zumindest zu sehr aus der Übung gekommen sein, bewahrheitete sich glücklicherweise nicht. Doch mitten im Tanz fragte er sich plötzlich, wer hier gerade wen führte. Er hätte besser aufpassen sollen, denn eigentlich hatte er nicht die Absicht, sich diesen Part abnehmen zu lassen. Bei Eva war dies nie ein Thema gewesen. Aber Marina Mendez machte bei weitem nicht immer das, was sie sollte. Das war ihm doch beim Zusehen schon aufgefallen, und nun erlebte er es selbst.
    Tango war Leidenschaft.
    Tango war Leben.
    Beides traf zu.
    Doch es war noch mehr. Denn Marina Mendez entzog sich seiner Nähe, seiner Führung, nur um sich kurz darauf wieder voller Hingabe führen zu lassen. Dabei sprang ein Funke auf ihn über, der nichts mehr mit bloßem Tanzen zu tun hatte. Wie sich jetzt offenbarte, war Tango auch Kampf. Ein in jeder Phase höchst erotischer Kampf. Marinas Bewegungen, ihre Kopfhaltung, ihr Gesichtsausdruck. Sie spielte mit ihm Katz und Maus, mehr als jede andere Frau, mit der er jemals Tango getanzt hatte. Eva wäre gegen sie ein Mäuschen gewesen.
    Dieser Tango mit Marina Mendez lebte von der Improvisation – ihrer Improvisation –, sofern er sich aus dem Konzept bringen ließ, aber das war überhaupt nicht in seinem Sinne. Entschlossen kämpfte Justin um die Führung, hielt sie fester. Er war ein wenig überrascht, auf keinerlei Widerstand mehr zu stoßen. Sie folgte allen seinen Bewegungen, und sie gaben bestimmt ein perfektes Bild ab. Wie bei einem einstudierten Showtanz. Wie auf einem Turnier. Vielleicht zu perfekt, als wisse sie seinen nächsten Schritt schon im Voraus, doch auch das behagte Justin nicht. Sie mochte die Profitänzerin sein, ja, aber er war der männliche Part, also führte er! Daher versuchte er sie zu verwirren, machte mittendrin eine Wendung. Doch nichts, gar nichts brachte sie aus der Fassung. Ganz im Gegenteil.
    Ihr gemeinsamer Tanz entwickelte sich von einem hochdramatischen schnellen Anfang hin zu einem sensiblen Spiel aus Sehnsucht und Hingabe, ein Zwiegespräch ihrer Körper. Es war auch nötig, das Tempo ein wenig zu drosseln. Denn allmählich kam er in Atemnot. Verflucht! Früher wäre ihm das nicht passiert.
    Marina schlang ein Bein um ihn, und er ließ sie für Sekunden gewähren, als gäbe er ihr die Freiheit, ihn einzufangen, ehe er sie mit einer schnellen Drehung von sich stieß, auf ausgestreckte Armlänge – nur um sie sofort wieder zu sich zurückzuziehen und ihren Rücken zu beugen, ihren Kopf tief zum Parkett hinab.
    Es fiel ihm schwer, Marinas Wesen zu verstehen und einzuordnen. Ihre nach außen getragene Weiblichkeit weckte seine männlichen Begierden, die mit jeder Sekunde heftiger durchbrachen. Andererseits war sie alles andere als die Art von Frau, bei der normalerweise seine niederen Instinkte erwachten. Es waren die ergebenen, devoten Frauen, die ihn anmachten. Wahres Glück war ihm bei seiner Wahl zwar nie beschieden. Zu kleinen Fesselspielen war die eine oder andere noch bereit, doch nicht zu mehr.
    Nähe und Distanz, Führen und Folgen, Dominanz und Demut.
    Justin zuckte mitten im Tanzen zusammen, als er begriff, wie viele Gemeinsamkeiten zwischen Tango und SM bestanden. Mit dieser Neigung, die sich bei ihm langsam, aber unaufhaltsam entwickelt hatte und mit der Eva damals nichts, absolut nichts anfangen konnte. Er hatte es nur einmal versucht und den Abscheu in ihren Augen gelesen. War dies vor oder nach der Idee mit der Profitanzkarriere gewesen? Er wusste es nicht mehr.
    Was war mit ihr, mit dieser Marina Mendez? Ihre Blicke hingen für Sekunden aneinander, doch es war alles andere als devot, wie sie ihn ansah. Ganz im Gegenteil.
    Ihr Verhalten war interessant. Eine Herausforderung. Wie vielen Männern hatte Marina

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