Ich Will Ihren Mann
hätt' ich dir denn sagen sollen? Ich kenn' doch deine Wahnvorstellungen über Nicki...«
»Ich hab' keine Wahnvorstellungen! Die Frau ist hinter meinem Mann her. Sie hat's mir selbst gesagt!« »O Lilli, um Himmels willen! Wann wirst du endlich aufhören, mir das vorzuhalten? Hast du ihr denn heut' abend nicht zugehört? Sie war auf deiner Seite, verdammt noch mal! Sie hat dich doch verteidigt!«
»Ich hab's nicht nötig, mich von diesem Biest verteidigen zu lassen!« schrie sie. Auf einmal begriff sie, warum Jason beim Essen auf sie losgegangen war. »Ich bin absolut imstande, mich selbst zu verteidigen. Ich lass' es mir nicht bieten, daß so 'n dahergelaufenes Gör über mich redet, als wär' ich gar nicht vorhanden, daß sie von mir in der dritten Person spricht und dabei noch so tut, als nähme sie mich in Schutz. Und warum? Bloß damit sie als die Faire und Großzügige dasteht! Sie würde alles tun, David, um sich bei dir einzuschmeicheln, und wenn sie mich gleichzeitig schlechtmachen kann, na, dann um so besser.« Er zwängte sich an ihr vorbei und ging in den Flur hinaus. »Ich hör' mir das nicht länger an«, sagte er. Lilian lief hinter ihm her, während er zuerst ins Arbeitszimmer und dann durch die Eßecke zurück ins Wohnzimmer stürmte. »David, so hör mir doch zu! Glaubst du denn wirklich, es war Zufall, daß sie dieses Racketballspiel genau in dem Moment erwähnte, als ich dazukam? Merkst du denn nicht, daß sie's mit Absicht gesagt hat, damit ich's hören sollte?«
»Nein, das glaub' ich nicht«, widersprach er heftig. »Nicki denkt nicht so um die Ecke wie du.« »Sie denkt nicht wie ich, soweit stimmt's! David, merkst du denn nicht, wie geschickt sie diese ganze Szene vorbereitet hat? Wie sie dich und mich manipuliert? Ja fühlst du das denn nicht?« Sie zögerte, als sie den Widerstand in seinen grünen Augen aufblitzen sah. »Oder ist es dir bloß gleichgültig?«
»Du benimmst dich einfach lächerlich.« Seine Stimme schwankte zwischen Trauer und Zorn. »Ich geh' 'n bißchen frische Luft schnappen.«
»O David, bitte bleib da«, flehte sie, als er die Tür öffnete.
»Ich komm' ja wieder«, antwortete er. Und dann war sie allein.
20
Zum viertenmal innerhalb von fünf Minuten schaute Lilian auf die Uhr. Es war genau elf Uhr fünfundvierzig. David war seit fast drei Stunden fort. Sie wußte nicht, was sie tun sollte: auf ihn warten oder schlafen gehen. Schlafen ... was für ein komischer Gedanke. Ich könnte ins Bett gehen, aber ich würde dort genausowenig Ruhe finden wie hier.
Wo mochte er sein? Wo konnte er hin, ohne Autoschlüssel und ohne Brieftasche? Eine Stunde, nachdem er die Wohnung verlassen hatte, war sie in die Tiefgarage hinuntergeschlichen, um nachzusehen, ob sein Wagen noch da war. Als sie sich davon überzeugt hatte, daß er in der Parkbucht stand, ging sie wieder hinauf in die Wohnung. Seine Brieftasche mit sämtlichen Kreditkarten und Bargeld sowie die Autoschlüssel lagen immer noch auf der Stereoanlage. Er hatte sie achtlos dorthin geworfen, als er zurückkam, nachdem er Jason und Laurie heimgefahren hatte. Er wanderte also mitten in der Nacht zu Fuß durch Chicago. Wenn er 'nem Dieb in die Hände fällt und der merkt, daß David überhaupt nichts bei sich hat, dann wird er wütend und verprügelt ihn; wenn's 'ne ganze Bande ist, bringen sie ihn vielleicht sogar um. Der Gedanke allein genügte, um sie in Panik zu versetzen. Sie überlegte, ob sie die Polizei anrufen sollte. Doch sie wußte, daß man ihr lediglich raten würde, vierundzwanzig Stunden zu warten und sich dann gegebenenfalls wieder zu melden. Also rief sie statt dessen Davids Mutter an, in der Hoffnung, daß er vielleicht zu ihr gegangen sei. Aber nachdem sie ein paar Minuten übers Wetter geplaudert hatten, stand fest, daß er nicht dort war. Der Anruf brachte ihr nichts weiter ein als eine halbstündige Litanei von Klagen ihrer Schwiegermutter, die sich über alles und jedes beklagte, angefangen von der Inflation bis hin zum sozialen Wohnungsbau, der sich in ihrem Viertel breitzumachen drohte. Als es Lilian endlich gelang, sich zu verabschieden, wählte sie eilig die Nummer von Davids Schwester. Immerhin bestand die vage Chance, daß Renée und Norman wußten, wo er steckte. Doch auch dieser Versuch blieb ergebnislos. Davids Name tauchte in der Unterhaltung gar nicht auf, außer in der beiläufigen Frage: Wie geht's deinem Mann, meinem Bruder? Nach diesen beiden Fehlschlägen hielt sie die
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