Ich Will Ihren Mann
Leitung frei für den Fall, daß David in Schwierigkeiten war und sie anzurufen versuchte. Aber das Telefon blieb stumm.
In der vergangenen Stunde hatte sie unablässig an Nicole Clark gedacht. Lilian war sich nicht sicher, was sie schlimmer treffen würde: ein Anruf der Polizei, die berichtete, sie hätten die verstümmelte Leiche ihres Mannes gefunden, oder ein Anruf von Nicole, die ihr mitteilte, daß David die Nacht mit ihr verbrachte. Dieser Zweifel beunruhigte sie, aber Nicole Clark war schließlich auch ein beunruhigendes Mädchen. Vielleicht hätte ich einfach den Mund halten sollen, statt ihr auf den Leim zu gehen. Hätte drüber wegsehen sollen, daß David jetzt auch noch mit ihr Racketball spielt und mich angelogen hat. Aber nein, das könnte ich nicht. Wenn man sich einmal drauf einläßt, 'ne Lüge hinzunehmen, dann muß man auch die nächsten schlucken, ja so tun, als seien sie glaubwürdig. Wie nennen die Juristen das doch gleich? Vorschub leisten?
Und doch, was war damit erreicht, daß sie das Problem angesprochen und auf eine Entscheidung gedrängt hatte? Sie hatte sich ihrem Mann nur noch mehr entfremdet, ihn müde und angewidert aus der Wohnung getrieben.
Womöglich geradewegs in Nicole Clarks ausgebreitete Arme? Ist er bei ihr?
Hör endlich auf damit! befahl sie sich. Es ist sinnlos, sich so zu quälen. Wenn er zu Nicole gegangen ist, kann ich jetzt nichts mehr daran ändern.
Den ganzen Tag hatte eine Katastrophe die andere gejagt, und die meisten davon hatte sie selbst heraufbeschworen. Wenn ich ihm bloß nichts von Beths Geständnis erzählt hätte. Ich hätte mir denken können, wie er darauf reagieren würde. Ich weiß doch, wie sehr er Al Weatherby liebte und bewunderte. Als sein eigener Vater starb, da hat er nicht eine Träne vergossen, aber bei Als Beerdigung hat er geweint. Warum mußte ich ihm dauernd meine Zweifel unter die Nase reiben? Wieso konnte ich mich nicht einfach mit den anderen auf den Standpunkt stellen, Al sei kein Monster gewesen, und ruhig abwarten, bis Beth auspackt? Natürlich hat David meine Skepsis persönlich genommen. Kann man was anderes von ihm erwarten? Ruhelos lief sie im Flur auf und ab. Ich mute David zuviel zu, zwinge ihn ausgerechnet jetzt zu Auseinandersetzungen, wo er dringend ein bißchen Frieden und Geborgenheit brauchte. Und 'ne Menge Unterstützung. Probleme hat er wahrhaftig genug: seine Exfrau, seine Kinder, die tägliche Schinderei im Büro, unsere ständigen Geldsorgen. In den letzten paar Monaten mußte er Als Tod verkraften, sich mit meiner Nörgelei über die Arbeit an der Uni rumschlagen und meine Eifersuchtsszenen über sich ergehen lassen. Heut' abend ist ihm endlich die Sicherung durchgebrannt. Kein Wunder, daß es ihn nicht nach Hause zieht. Ich muß etwas dagegen unternehmen. Ich muß mir das verdammte Mißtrauen abgewöhnen oder es zumindest so unter Kontrolle kriegen, daß ich's für mich behalten kann und nicht jedesmal hochgehe, wenn er Nicoles Namen erwähnt. Was Al und Beth betrifft, so muß ich nachgeben und meine Zweifel wenigstens vorläufig für mich behalten. Ich werd' mir die bissigen Bemerkungen über Elaine verkneifen und mich weiter um die Freundschaft seiner Kinder bemühen. Irgendwie werd' ich's schon schaffen, sie auf meine Seite zu kriegen. Das, was tagsüber in der Kanzlei passiert, kann ich weder positiv noch negativ beeinflussen. Ich kann nur versuchen, unser Zuhause so attraktiv für ihn zu machen, daß Nicole Clark keine Versuchung mehr bedeutet.
Sie seufzte. Bleibt also nur noch das Problem mit meinem Job. Was soll's, ich muß mich eben auch damit abfinden. Es ist sinnlos, weiter darüber zu jammern. David hängt's bestimmt schon ebenso zum Hals raus, von meiner Langeweile zu hören, wie mir, mich zu langweilen. Ich muß eben diese Arbeit machen, basta. David trifft keine Schuld; er kann nichts dran ändern. Das neue Semester hat angefangen, und ich werd' mich bemühen, Spaß an der Uni zu finden.
Wenn er doch nur heimkäme ... Das Telefon klingelte.
Sie schwankte unsicher, denn sie war gleich weit von beiden Apparaten entfernt und wußte nicht, wo sie abnehmen sollte. Doch schließlich rannte sie ins Schlafzimmer. Die Polizei kann's nicht sein, versuchte sie sich zu beruhigen. David hat all seine Papiere zu Hause gelassen. Sie warf sich übers Bett und langte nach dem Hörer. Selbst wenn er irgendwo tot im Graben liegt, könnte die Polizei ihn unmöglich so schnell identifizieren und mich benachrichtigen.
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