Ich Will Ihren Mann
nicht einzustimmen. »Er hat mir angeboten, in die Kanzlei einzutreten, sobald ich die Zulassung habe. Er wollte sogar diesen Freitag an der Feierstunde teilnehmen, weil mein Vater nicht herkommen kann.« Ihre Stimme brach. »Wie kann irgend jemand ihn für ein Ungeheuer halten, das über fünfundzwanzig Jahre lang die eigene Frau mißhandelt hat?!«
»Aber das tut ja niemand«, versicherte David, den Nicoles scheinbar spontaner Ausbruch offensichtlich gerührt hatte.
»Sogar ihre eigenen Kinder sind entsetzt und schockiert über ihre Anschuldigungen.« Auch auf Don Eliot hatte Nicoles Vorstellung gewirkt. »Und Sie?« wandte sich Nicole an Lilian. Gute Taktik, dachte Lilian, als sie begriff, daß ihre Antwort sie vollends von den anderen isolieren würde. »Ich weiß einfach nicht, was ich glauben soll«, antwortete sie. Im allerletzten Augenblick hatte sie sich dazu durchgerungen, lieber bei der Wahrheit zu bleiben, als sich ihre Zugehörigkeit zur Gruppe durch eine Lüge zu erkaufen. Außerdem hätte das auch gar nichts genützt. David hatte ihr wieder und wieder erklärt, daß ein Zeuge von dem Moment an erledigt sei, in dem er zu Lügen Zuflucht suche. Erst als sie in die drei verwirrten Gesichter blickte, wurde ihr bewußt, wo sie sich befand. Was hab' ich denn bloß für Gedanken im Kopf? fragte sie sich. Das ist mein Wohnzimmer, kein Gerichtssaal. Ich steh' nicht unter Eid. Ich bin hier nicht im Zeugenstand.
Ein paar Minuten lang sagte niemand ein Wort. »Möchtet ihr vielleicht 'n Stück Schokoladentorte?« fragte Lilian in dem Bestreben, die Atmosphäre zu entspannen. »Ich hab' sie zum Nachtisch gebacken, aber wir sind heut' abend nicht dazu gekommen.«
Alle lehnten höflich ab.
»Wie alt sind Ihre Kinder, David?« fragte Nicole. David mußte sich einen Augenblick besinnen. »Jason ist zwölf«, antwortete er schließlich. »Und Laurie ist vierzehn. Sie sind beide typische Teenager, ziemlich unausstehlich im Moment.«
Nicole lächelte verständnisvoll. »Du bist zu streng mit ihnen«, sagte Lilian. »Einer muß sie 'n bißchen hart anfassen«, gab David zurück.
»Ich stell' mir vor, es ist ziemlich schwer, den richtigen Ton zu finden«, sprang Nicole ihm bei. »Haben Sie Kinder?« fragte Lilian wie aus der Pistole geschossen.
»O nein.« Nicole lachte. »Nicht mal jüngere Geschwister. Bloß 'ne zehn Jahre ältere Schwester. Der Abstand zwischen uns ist so groß, daß wir nie besonders engen Kontakt hatten.« Sie lachte wieder. »Nein, ich hab' keine Kinder.« Sie sah Lilian in die Augen. »Ich bin so altmodisch, daß ich zuerst einen Ehemann möchte.« Ihr Lächeln schien zu sagen: Sie sind am Zug.
Lilian nahm die Herausforderung an. »Das heißt also, daß Sie sich irgendwann Kinder wünschen?« »Aber ja, auf jeden Fall«, antwortete Nicole prompt. »Meiner Meinung nach wird man erst durch ein Kind ganz zur Frau.«
»Kinder sind nicht dazu da, unseren Erfahrungshorizont zu erweitern«, tadelte Lilian.
Nicole hatte sofort eine Antwort bereit: »Nein, natürlich nicht. Das hab' ich auch gar nicht gemeint. Ich halte nur Schwangerschaft und Geburt für ein Erlebnis, das keine Frau missen sollte.«
Lilian schwieg zufrieden. Zum erstenmal an diesem Abend fühlte sie sich der anderen überlegen. Don Eliot stellte seine Frage so unvermittelt, als hätte das Geplänkel zwischen den beiden Frauen gar nicht stattgefunden. »Sagen Sie mal, Lill, Sie sind doch eng mit Beth Weatherby befreundet. Kamen Sie sich denn da nicht irgendwie verraten vor, als Sie von ihrem Geständnis über den Rundfunk erfuhren, statt es von ihr selbst zu hören? Schließlich haben Sie doch versucht, ihr zu helfen. Sie waren bei ihr, haben mit ihr geredet...« Lilian spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg. Sie wußte, daß sie rot wurde, und hoffte inständig, Don Eliot wäre zu sehr mit seinen Gedanken beschäftigt, um es zu merken. »Stimmt was nicht?« erkundigte sich Nicole, der nichts entging. »Sie wußte es schon«, sagte David leise.
»Was wußte sie?« fragten Don und Nicole wie aus einem Mund.
Lilian räusperte sich. »Als ich Beth vor einer Woche besucht hab', da hat sie mir gesagt, sie habe Al getötet.« Einen Moment lang schwiegen die beiden Besucher bestürzt. Lilian starrte nervös auf ihre abgebrochenen Nägel. Die Geschworenen sind zurück, dachte sie. Ihr Urteil: schuldig im Sinne der Anklage. Die Strafe: Tod durch Erniedrigung.
»Ich versteh' das nicht«, hörte sie Nicole sagen. »Ich auch nicht«,
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