Ich Will Ihren Mann
zugehört. Man konnte ihm ansehen, wie sehr er seine Arbeit liebte, es stand inseinen Augen geschrieben, die vor Kampflust funkelten und in denen schon die Gewißheit des letztendlichen Sieges leuchtete. Damals hatte sie eine ziemlich unregelmäßige Arbeitszeit gehabt; an manchen Tagen war sie von morgens bis nachts im Einsatz, an anderen hatte sie stundenlang nichts zu tun. Sie hatte jede freie Minute damit verbracht, diesem Mann bei seiner Arbeit zuzuschauen. Damals hatte es nichts Wichtigeres für sie gegeben, als in seiner Nähe zu sein.
David schritt am Tisch der Verteidigung entlang, Nicole sah zu ihm auf, und er zwinkerte ihr zu - sein Siegeswink, wie er Lilian früher einmal erklärt hatte; nur galt er diesmal Nicole. Lilian überlegte, ob David sich in diesem Moment überhaupt ihrer Anwesenheit bewußt war, und plötzlich fühlte sie sich als Außenseiterin. So nahe sie ihm sonst auch war und so nahe er ihr zu sein vorgab, sein Hochgefühl im Augenblick des Sieges hatte sie nie wirklich geteilt, denn sie verstand nicht recht, warum er so sehr danach trachtete zu gewinnen. Nicole verstand es bestimmt. Lilian sah zu, wie ihr Mann vortrat, hörte ihn mit dunkler Stimme Mr. Arnold aus dem Zeugenstand entlassen und dachte, daß der marineblaue Anzug seinen schlanken Körper auffallend gut zur Geltung brachte. Plötzlich fing er ihren Blick auf und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, ehe er an seinen Tisch zurückkehrte und neben Nicole Platz nahm. Die beugte sich zu ihm hinüber und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Glückwünsche vermutlich für eine hervorragende Leistung. Sie waren wunderbar, David, einfach wunderbar. David, der wußte, daß Lilian ihn beobachtete, lächelte zurückhaltend.
Plötzlich überkam Lilian derselbe Drang nach Objektivität, den sie schon bei dem Picknick am letzten Wochenende verspürt hatte, und sie gestand sich ein, daß sie es David nicht einmal verübeln könnte, wenn er sich zu Nicole hingezogen fühlen würde. Abgesehen davon, daß die Jüngere eine wirklich schöne Frau war, bestätigten ihre Kollegen imallgemeinen und David im besonderen, daß sie über Intelligenz und Charme verfügte. Außerdem würde sie bald eine fabelhafte Stellung haben, die es ihr ermöglichte, Davids Berufsinteressen zu teilen. Wahrscheinlich könnten sie stundenlang zusammenhocken und ihre Fälle besprechen. Ihre Arbeit an der Uni dagegen bot nur noch selten Gesprächsstoff, und sie hatten beide aufgehört, sich darüber etwas vorzumachen.
Anfangs hatte sie es ganz interessant gefunden, es war anders, neu und aufregend. Sie hatte sich eingeredet, es sei eine wunderbare Aufgabe, junge Menschen zu formen, und sie war sich vorgekommen wie Miss Jean Brodie in ihrer Blütezeit, oder besser gesagt wie Maggie Smith in der Rolle von Jean Brodie. »Gebt mir ein junges Mädchen im entwicklungsfähigen Alter, und ich präge sie fürs ganze Leben«, flüsterte sie vor sich hin. Aber es hatte sich herausgestellt, daß ihre Studenten sich nicht mehr prägen ließen, und sie entdeckte nur zu bald, daß ihr das Unterrichten zuwider war. Beth Weatherby hatte völlig recht gehabt: Sie vermißte das Fernsehen mit all seiner Hektik, den Aufregungen und Risiken.
Was sie nicht vermißte, waren die Probleme, mit denen ihre frühere Arbeit die Ehe belastet hatte. Wenigstens die waren zum großen Teil ausgeräumt, nachdem sie beim Sender gekündigt hatte. David hatte recht, es war idiotisch, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, ihn allein zu lassen und sich irgendwo auf der Welt Schießereien oder Seuchen auszusetzen. Sie fehlte ihm, und er machte sich Sorgen um sie. Das wiederum schadete seiner Arbeit. Er brauchte ihre Unterstützung, ihre Hilfe, und beides fehlte ihm, wenn sie auf der anderen Seite des Erdballs herumgondelte. Er hatte sie gebeten, seßhafter zu werden, sich eine Arbeit hier in Chicago zu suchen. Wollte sie denn keine Familie? O doch, die wollte sie. Ihr gefielen die häufigen Trennungen ebensowenig wie ihm. Sie sehnte sich wahnsinnig nach ihm. Ein Mann wie David brauchte eine Menge Selbstbestätigung.
Und sie wußte, daß viele nur darauf warteten, ihm die zu geben, wenn sie nicht da war.
Und doch schien es nicht ganz fair. Außer, daß er die Frau gewechselt hatte und weniger Zeit mit seinen Kindern verbrachte, hatte sein Lebensrhythmus sich nicht nennenswert verändert. Zwar hatte er ein großes Haus gegen eine kleine Wohnung eingetauscht, aber die befand sich immerhin in einem repräsentativen
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