Ich Will Ihren Mann
sie den Verstand, und sie fühlte sich entsetzlich allein und verlassen. Unsinn, ich bin doch gar nicht allein, dachte sie. Mein Mann und seine Zukünftige sind ja bei mir.
»Ich begreife nicht, was los ist«, fuhr Lilian laut fort. »Warum sagt uns denn kein Mensch Bescheid?« »Sobald sie Näheres wissen, erfahren wir es bestimmt«, antwortete Nicole beruhigend.
Wenn sie nicht bald mit diesem verfluchten, scheinheiligen Getue aufhört, dachte Lilian, dann bin ich imstande und brech' ihr das Genick.
Wie auf ein Stichwort erschien Don Eliot in der Tür. »Lill, ich bin froh, daß Sie noch da sind. Wir kriegen einfachnichts aus ihr raus. Sie will partout nicht reden, liegt bloß stumm da ...«
»Don, sie hat 'nen Schock«, sagte Lilian. »Irgend so 'n Verrückter schlägt sie zusammen und bringt ihren Mann um, und ...«
»Es stimmt doch, daß sie Sie gestern abend angerufen hat?« fragte Don Eliot. »Wiederholen Sie bitte Wort für Wort, was sie gesagt hat.«
Lilian schilderte ihre Unterhaltung, so gut sie konnte. »Es besteht kein Zweifel, sie wollte Ihnen was mitteilen«, folgerte Don Eliot. »Es ist bedauerlich, daß Sie keine Zeit hatten, sich mit ihr zu treffen.« Er wartete lange genug, um in Lilian ein Schuldgefühl zu wecken. »Passen Sie auf, Lill«, sagte er dann, »vielleicht spricht sie jetzt mit Ihnen. Ich glaube, ich kann die Ärzte überreden, uns noch ein paar Minuten zuzugestehen. Sind Sie einverstanden?« »Klar«, antwortete Lilian wie betäubt. »Wenn Sie meinen, daß es was nützt.«
Sie kannte die Antwort, noch ehe er den Mund aufmachte. »Vielleicht ist es nützlich«, sagte er. Dann ging sie neben ihm den Flur entlang und ließ ihren Mann mit Nicole Clark zurück.
Die Augen der Frau, die halb aufgerichtet im Bett saß, waren blutunterlaufen und verschwollen, ihre Gesichtszüge waren furchtbar entstellt. Auf Wangen und Kinn prangten häßliche, rotbraune Flecken, die aussahen wie verschmiertes Rouge. Nase und Haaransatz verschwanden hinter weißem Verbandszeug. Ihre Lippen waren aufgesprungen und schrecklich deformiert. An ihren zerkratzten Ohrläppchen klebte getrocknetes Blut. Und doch wirkte Beth so friedlich, wie sie da in ihrem Bett saß, die Decke bis über die Schultern hochgezogen, damit man die Verletzungen an ihrem Körper nicht sehen konnte, daß Lilian im ersten Augenblick befürchtete, sie atme nicht mehr. Es war, als führe man sie zu einer Leiche.
»O Gott, Beth«, flüsterte Lilian und trat näher. »Wer hat das getan?«
Beth Weatherbys Augen blieben geschlossen. Lilian beugte sich hinunter und hauchte ihr einen Kuß auf die Stirn, die als einziges in diesem zerschundenen Gesicht unversehrt schien. Unwillkürlich begann Lilian zu weinen, und ihre Tränen fielen auf Beths Gesicht. »Oh, es tut mir so leid«, schluchzte sie. »Es tut mir so unendlich leid, daß das passiert ist.« Beths Augen flackerten, aber sie öffneten sich nicht. Lilian fiel ein, daß die Freundin ihre Stimme vielleicht nicht erkannte. »Ich bin's, Lilli«, sagte sie leise. »Es tut mir schrecklich leid, daß ich gestern abend nicht kommen konnte.« Sie schniefte und versuchte, die Tränen zurückzuhalten. »Es wird alles wieder gut, Beth«, fuhr sie zaghaft fort. »Wer immer das getan hat, sie werden ihn finden. Und dann ist dieser schreckliche Alptraum vorbei. Das ist das einzig Tröstliche an Alpträumen, weißt du. Man wacht ganz bestimmt wieder auf.«
Beth öffnete die Augen und starrte Lilian an. Aber da ist noch etwas anderes, dachte Lilian und bemühte sich, dem Blick standzuhalten. Es lag ein Suchen in Beths Augen. Wonach? fragte sich Lilian. Nach einer Antwort? Ich kenn' die Frage nicht, gestand sie stumm. Nach Trost? Ich bringe nichts als Phrasen und leere Versprechungen. Nach Hilfe? Die will ich dir geben, versuchte Lilians Blick zu sagen. So gut ich nur irgend kann.
»Ich bin so müde«, murmelte Beth kaum hörbar mit ihren verquollenen Lippen.
»Ich weiß.« Lilian fühlte sich schwach und abgeschlagen. Wie komm' ich nur dazu, so was zu behaupten? Was weiß ich denn schon? Nichts. Gar nichts.
»Sie haben mir weh getan.« Die Worte kamen stoßweise und undeutlich. »Sie?« fragte Lilian hastig.
»Als sie den Verband gewechselt haben«, kam stockend die Antwort. »Ich weiß, daß sie's nicht mit Absicht getan haben.« Sie schloß einen Moment die Augen, dann schaute sie wieder zu Lilian auf. »O Lilli, es tut so furchtbar weh.«
Lilian versuchte, etwas zu sagen. Irgend etwas. Aber
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