Ich Will Ihren Mann
die Worte blieben ihr im Halse stecken, oder sie hatte sie vergessen, noch ehe sie sie aussprechen konnte. »Brian ist hier«, flüsterte Beth plötzlich. »Brian?«
Beth versuchte zu lächeln. »Mein Sohn, der Arzt«, sagte sie, und Lilian bemühte sich, das Lächeln zu erwidern. »Er war hier, als sie vorhin mit mir gesprochen haben, ich weiß es.« Sie hob den Kopf und blickte sich suchend um. Angst spiegelte sich in ihren Augen.
»Ihr Sohn holt sich nur 'nen Kaffee«, meldete sich Don Eliots beschwichtigende Stimme von der Tür her. »Möchten Sie ihn sprechen?«
Beth ließ den Kopf aufs Kissen zurücksinken. »Man hat mir gesagt, daß Lisa aus Los Angeles kommt.« Ihr Blick wanderte zum Fenster. »Nur Michael haben sie noch nicht gefunden. Jedenfalls glaube ich, daß man mir das erzählt hat. Aber ich bin mir nicht sicher.« Ihre Worte erstickten in einem leisen Wimmern. »So viele Menschen. So viele Fragen. Irgendwas mit Al.« Ihr Blick kehrte zu Lilian zurück. »Immer wieder sagen sie seinen Namen, so als ob sie irgendwas von mir erwarten.« Ratlos starrte sie Lilian an. »Der arme Brian. Er sieht so müde aus und so gequält. Ich weiß, es ist meinetwegen. Was hat der Polizist vorhin gesagt?« Lilian spürte, wie Beth sich bemühte, die Gedankenfetzen zu ordnen, die ihr zusammenhanglos durch den Kopf schwirrten.
»Versuch doch einfach zu schlafen, Beth«, schlug sie vor. »Wir können uns später in Ruhe unterhalten.« »Irgendwas mit Al. Er versuchte, mir was über Al zu erzählen. Er hat genauso geredet wie die Leute im Fernsehen. Ich hab' kein Wort gesagt. Ich weiß nicht, was er von mir hören wollte. Mein Gott, Lilli«, unterbrach sie sich plötzlich, »Al ist tot!«
»Ich weiß«, sagte Lilian, und eine Träne lief über ihre Wange. »Al ist tot«, wiederholte Beth.
»Bitte quäl' dich jetzt nicht«, bat Lilian und streichelte Beths Hand, die unruhig unter der Decke hin und her fuhr. »Wer auch immer Al getötet hat, sie werden ihn finden. Und sie werden ihn einsperren. Er kann dir nichts mehr tun.«
»Er kann mir nichts mehr tun«, wiederholte Beth. Ihre Stimme klang plötzlich ruhig und gefaßt. Sie schloß die Augen, ihr Atem kam nicht mehr stoßweise, sondern regelmäßig, und endlich schlief sie ein. Lilian beugte sich hinunter und küßte die Freundin zum Abschied auf die Stirn. »Schlaf nur, schlaf«, flüsterte sie, die Augen starr auf das weiße Kopfkissen gerichtet. Langsam, ganz langsam richtete sie sich auf und bog die Schultern zurück. Dann wandte sie sich um und ging zur Tür, ohne sich noch einmal umzudrehen. »Ich fürchte, ich hab' Ihnen nicht viel helfen können«, sagte sie zu Don Eliot.
»Das kann man jetzt noch nicht sagen«, antwortete er. »Jedenfalls hat sie bisher noch mit niemandem so lange gesprochen wie mit Ihnen. Das ist immerhin ein Anfang.« »Der Anfang von was?« entgegnete Lilian benommen. Dann öffnete sie die Tür und verließ eilig den Raum.
14
Wenn ich je tot umfallen sollte, beschloß Lilian, dann jedenfalls nicht während einer Hitzewelle. Es war einfach entsetzlich, Menschen zu zwingen, sich in einer Kirche ohne Klimaanlage zusammenzudrängen und um einen Toten zu trauern, wenn draußen das Thermometer über dreißig Grad im Schatten zeigte. Der Himmel mochte wissen, wie heiß es drinnen werden würde, wenn sich erst einmal alle hineingezwängt hatten. Lilian fragte sich, ob Beth wohl kommen würde. Man hatte sie gestern erst aus dem Krankenhaus entlassen. Sie war außer Lebensgefahr. Doch ihr rätselhaftes Schweigen hatte sie nicht gebrochen. In der Woche, die seit Als Tod vergangen war, hatte Beth eine Mauer des Schweigens um sich errichtet, hatte keine Besucher empfangen, morgens lange geschlafen und nur ihre drei Kinder (man hatte den jüngsten Sohn schließlich doch noch gefunden) um sich geduldet. Don Eliot berichtete, sie bewege sich wie in Trance. So sehr er sich auch bemühte, es war nichts aus ihr herauszubekommen, und die Ärzte befürchteten, es könnte Monate, vielleicht sogar Jahre dauern, ehe sie den Schock vollständig überwunden hätte. Ohne Beths Hilfe aber kam die Polizei nicht weiter. Man hatte die Mordwaffe immer noch nicht gefunden. Da die Spurensicherung ergab, daß ein Einbruch so gut wie ausgeschlossen war, kam die Polizei zu dem Schluß, der Täter müsse aus dem Bekanntenkreis der Weatherbys stammen, ja sei vielleicht sogar ein Verwandter. Lilian dachte an Michael. Das würde Beths Schweigen erklären. Der
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