Ich Will Ihren Mann
Hollywood, wo sich jeder einbildet, er könnte einem 'n neues Image verpassen. Und jeder da unten hält sich für 'nen Star, auch wenn er sich die letzten zwanzig Jahre als Parkwächter oder Kellner durchgeschlagen hat. Wenn man einen von denen nach seinem Beruf fragt, wird er garantiert sagen: ›Ich bin Schauspieler. ‹ Allesamt hätten sie um ein Haar die Hauptrolle in ›Kaltblütig‹ gekriegt. Wissen Sie, wie lange das her ist?! Man suchte damals nach neuen Gesichtern. Wahrscheinlich haben sie von jedem halbwegs passablen Typ zwischen sechzehn und sechzig Probeaufnahmen gemacht. Aber denen, die dabei waren, ist das völlig Wurscht. Jeder von ihnen fühlt sich auch heute noch als der eigentliche Hauptdarsteller und ist überzeugt, daß er eines Tages ein Star wird. Und der Witz ist, daß so was tatsächlich vorkommt, äußerst selten zwar, aber es reicht, um die Träumer wachzuhalten.« Sie rieb sich mit beiden Händen die Augen. Lilian wartete geduldig, bis das Mädchen sich wieder gefaßt hatte. »Ich leb' jetzt schon fast vier Jahre da unten und versuche, als Sängerin unterzukommen. Mein Vater war dagegen, daß ich hinzog, aber nicht, weil er an meinem Talent zweifelte, sondern einfach, weil er wußte, daß die da unten alle verrückt sind.« Ihr Lachen klang gekünstelt. »Und ich bin's auch. Ich gehöre zu diesen verrückten Typen, die sich mit Aushilfsjobs über Wasser halten und auf ihren großen Durchbruch warten. Jetzt bin ich schon fast vier Jahre da. Und obwohl meine Eltern nicht dafür waren, daß ich runterziehe, haben sie mich rührend unterstützt. Oder nein, eigentlich war's ein bißchen anders. Wenn wir alle zusammen saßen, stellte Mutter sich auf Vaters Seite. Aber wenn wir beide allein waren, dann sagte sie: ›Geh, Lisa. Versuch's. Wenn du wissen willst, was in dir steckt, dannmußt du's probieren.‹ Ich glaube, ohne ihr Zureden hätt' ich nicht den Mut gehabt, mich gegen meinen Vater durchzusetzen. Aber als ich mich einmal entschieden hatte, da hat er mir jeden Monat Geld nach Los Angeles geschickt, und meine Mutter hat mir zweimal die Woche geschrieben. Wir beide stehen uns sehr nahe; schon immer, nicht erst, seit ich erwachsen bin. Sie hat mir nie was verheimlicht. Ich glaub', als ich tatsächlich wegzog, da hatte sie Angst, es könnte vielleicht schiefgehen. Ich konnte es in ihren Augen lesen, daß sie Angst hatte. Wahrscheinlich fürchtete sie sich auch vor der Einsamkeit, sie wußte ja, daß sie mich vermissen würde. Na, und dann war ihr klar, daß ich in 'ne total verrückte Welt ging. Aber sie war nie eine von den Müttern, die sagen: ›Bleib zu Hause und warte auf 'nen netten jungen Mann. Was hast du denn in Hollywood verloren? Angel dir 'nen soliden Anwalt, so wie ich's gemacht hab', und schaff dir 'n Heim!‹ Nicht so meine Mutter. Sie war der Meinung, dazu hätte ich immer noch Zeit genug. Ich glaube, sie wollte schon, daß ich irgendwann mal einen Mann wie meinen Vater finde, einen, der gütig ist, auf den man sich verlassen kann, der 'ne Menge Geld verdient und der für seine Familie lebt. Solche Männer gibt's in Los Angeles nicht. Da ist jeder bloß in sein eigenes Spiegelbild verliebt.« Sie holte tief Luft. »Die beiden waren wirklich glücklich miteinander, verstehen Sie? Sie waren siebenundzwanzig Jahre verheiratet, und ob Sie's glauben oder nicht, ich hab' nicht einen einzigen Streit zwischen ihnen erlebt. Sie waren immer einer Meinung. Mutter war ihr Leben lang auf Vaters Seite. Wenn wir Kinder irgendwas anstellten, worüber er sich aufregte, dann wurde sie richtig böse. Er arbeitete den ganzen Tag so schwer, sagte sie, daß er sich abends nicht noch über uns ärgern dürfe. Sie hat ihn regelrecht abgeschirmt, so sehr liebte sie ihn. Und er war so lustig, wissen Sie, lustig und warmherzig. Jeder Junge, mit dem ich ausging, mochte ihn. Und das will was heißen, denn junge Männer kommennormalerweise nicht besonders gut mit Vätern aus. Aber mit meinem Vater kamen einfach alle klar. Jeder mochte ihn, liebte ihn! Ganz besonders meine Mutter.« Sie schluchzte laut auf. »Sie kann's einfach nicht ertragen, verstehen Sie? Er fehlt ihr so sehr. Sie geht rum wie betäubt, nur ihre Augen sind lebendig, bewegen sich ständig so ruhelos, als ob sie im stillen Selbstgespräche führte. Wir versuchen, mit ihr zu reden, aber keiner von uns weiß, was er sagen soll! Wir kommen einfach nicht an sie ran ...« Sie weinte jetzt hemmungslos. »Es ist zum Wahnsinnigwerden«,
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