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Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Titel: Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Heim
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mitnehmen.
    Vielleicht stärkt mich diese Zuversicht, durchhalten zu können, um Dich einmal wiederzusehen. Der Glaube daran macht vielen Eltern ihr unsagbares Schicksal tragbar, auch ich will es versuchen, wenn es so weit ist. Baums sind weg. [Marta Baum und ihr Mann wurden am 19.

Januar 1942 nach Riga ins Getto deportiert.] Deine ganze Mühe wegen Bürgschaft ist ja doch zwecklos, hast Du das noch immer nicht begriffen?
    Ich war bei Edgars Freund, er war entzückend zu Mieze, vor drei Monaten hätte er ihr noch eine Position verschaffen können, jetzt ist es schwer, aber er will sich bemühen und Nachfragen halten, und Mieze hat ihm alle ihre Papiere dagelassen und will auch noch einmal hingehen. Könnte Edgar ihm Glückwünsche für die Freundin dalassen.
    Adieu, mein geliebtes, armes Kind. Hoffentlich können wir noch wenigstens brieflich verbunden sein.

    Innigste und herzliche Küsse,
Deine Mutti
    Endlich gelingt der seit Längerem versprochene Kontakt zu Artur Sommer. Noch ist er nicht bereit, ihr von dem Reisevorhaben für Gertrud und Clara Kantorowicz zu erzählen, das will er sicherlich erst mit den unmittelbar Beteiligten besprechen. Doch macht er Hoffnung auf Unterstützung und sagt zu, dass Marie einen Schrankkoffer voller Habe aus ihrem Kellerzimmer zu ihm in die Lützowstraße bringen darf. Den Transport erledigt Bruno Bendix mit einem befreundeten Spediteur. Marie schöpft wieder Kraft, bald wird sie neue Freundinnen gewinnen.

    Berlin, den 22.

Januar 1942
    Mein Einziges, Geliebtes,

    jeder Tag ist gewonnenes Leben, und wenn die Postzustellung vorüber ist, atme ich auf. Du wolltest wissen, ob denn das Haus anderweitig vermietet worden ist. Gar nichts hat sich bis jetzt darin geändert, praktisch wenigstens nicht. Nur ich habe allein die Kündigung laut behördlicher Anordnung erhalten. Diese Zuschrift kam von der Jüdischen Gemeinde, wie alle Anordnungen durch diese einem zugehen. Als Nächstes kriegt man Formulare zur Angabe des Besitzverzeichnisses im Detail, und danach erfolgt die Gott sei’s geklagte Abreise.
    Vorhin in der Mittagsstunde war Mieze, nach Anmeldung vorher, bei Edgars Freund, wo ihr Schrankkoffer ist, ihre Stube ist ja zu klein, und er stand ihr sehr im Wege. Es ist zu drollig, was sie ihm alles aus Verehrung und Freude mitbrachte; einige schöne Weingläser bekannter Sorte und noch verschiedenes, womit er sich sichtlich freute. Er behält Miezes Sofa sehr im Auge und will für ihre Krankheit tun, was er kann.
    Man sagte mir, dass eine notarielle Bürgschaftserklärung für meine Einreise, wenn ich diese schnellstens hier hätte, doch nützen könnte. Der Betreffende kennt einen solchen Fall, in dem solch Visum auf der Sammelstelle der zu Evakuierenden noch ausgerufen wurde, leider aber war die Familie schon nicht mehr da. Also, mein Gutes, versucht muss auch dies noch werden. Und es kann auch sein, dass mein laufendes Gesuch von hier, worin ich Fredi als Referenz angab, die Veranlassung war.
    Solange ich da bin, lebe ich. Mut und Kraft und Hoffnung lass uns haben und Du speziell Deinen gesunden Verstand.
    Lebe wohl, mein Geliebtes, und schreibe mir schnell und besorge schnell die Bürgschaft.

    Mit herzlichsten Küssen,
Deine etwas erleichterte Mutti
    In Basel versucht Ilse ihr Bestes, um eine Bürgschaft einzuholen. Sie verabredet sich mit Notaren, sucht Unterstützung für den immer noch »offenen« Einreiseantrag. In Berlin schöpft Marie wieder Hoffnung, weiß aber, dass ihr »Marschbefehl« nun jederzeit eintreffen kann und ihre vorläufige Rettung daran hängen könnte, das Asyl hoch über der Lützowstraße noch rechtzeitig zu erreichen. Alle drei Tage trifft eine Karte aus Berlin in Basel ein. Gleichzeitig läuft Ilses »Finale« mit Hiroshi, und am 3.

Februar wird Edgars fünfzigster Geburtstag im Tanzsaal des Hotels Drei Könige steigen. Ilse braucht neue Schuhe und Strümpfe und eine Bluse, sie muss zum Friseur und erlebt die Mutter in höchster Not. Wie ist das alles zu schaffen, zu ertragen?

    Berlin, den 25.

Januar 1942
    Mein Geliebtes,

    also wie gesagt, man ist noch auf dieser Welt, man lebt noch! In seiner warmen Stube, in seinem Federbett, draußen sind 16 Grad Kälte! Seit zwei Tagen sind viele unterwegs, schaurig der Gedanke. Ich bin so besorgt Deinetwegen, denn Dein Zustand durch den Konflikt muss wieder ent setzlich sein. Wenn nur Fredi, wie so oft schon, Dein Schutzengel bleibt. Ein schweres Unglück, dass Hiro sich, wie so mancher leider, so

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