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Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Titel: Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Heim
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Glücksgefühl« in so kurzer Zeit verflüchtigt habe, will sie wissen! Hat sie sich geirrt, hat Marie doch recht mit ihrem Bild der Samurai-Kaste?
    Ilse ist erschöpft, alle zerren an ihr. Weit und breit keine Schulter zum Anlehnen in Sicht. Wie Marie fühlt auch sie sich alleingelassen. Und zu alledem noch »Wohlmeinendes« von Hiroshi:

    Zürich, den 6.

Februar 1942
    Liebe Ilse,

    dass ich am Telefon zu Dir so hart sprechen musste, tut mir sehr leid. Ich konnte nur nicht verstehen, warum sich ein Mensch von Deiner Kraftreserve und Deiner Fähigkeit einfach gegen alles, was Dich in diesem Moment umgibt, mit derartiger Verbissenheit auflehnen muss.
    Bitte verzweifle nicht und versuche, Deinen Weg durch alle Schwierigkei ten zu finden. Nur nicht von Anfang an Stellung beziehen, die so krampfhaft ist, dass von ihr aus kein Weg zum Ziel führt.
    Bitte denke an Deine Mutter, die einzig und allein auf Deine Bemühung angewiesen ist, und tue alles, was in Deiner Macht liegt. Bitte gib die Sache jetzt nicht als verloren auf!
    Ich bitte Dich nur darum, Dich auf eigener Basis stark aufzurichten. Befreie Dich von der Gefangenschaft bei mir!
    Diese Zeilen, schnell geschrieben, Deinem »Ich« gewidmet.

    Beste Wünsche, Dein Hirosi
    Den letzten Anruf von Hiroshi hängt Ilse auf – so steht es in ihrem Notizbüchlein. Noch kommen Ilse und Hiroshi nicht voneinander los.
    Am 9.

Februar gibt Ilse bei Fritz Jenny ein sogenanntes Garantieschreiben für Marie ab. Es stammt weder von Fred Heim noch von Edgar Salin, ihre Männer mag sie nicht mehr bitten. Sie wendet sich stattdessen an einen guten Bekannten: Max Ras. Ras ist ein erfolgreicher Selfmademan. Nach Lehrjahren bei der Schweizerischen Depeschenagentur und bei der National-Zeitung in Basel gründete er 1926 gegen den Widerstand der bürgerlichen Presse den Schweizerischen Beobachter , eine parteilose Zeitschrift für alle. »Anwalt des kleinen Mannes«, volksnah und sozial engagiert, wird das Heft schnell erfolgreich. Ilse lässt sich wieder einmal von ihren Gefühlen leiten, als sie Max Ras um Hilfe bittet, aber ob das klug ist? In Bern entscheiden nicht die Idealisten. Warum nicht ein Empfehlungsschreiben von Nationalrat Oeri, bekannt von früheren Gelegenheiten, oder vom Herausgeber der einflussreichen Basler National-Zeitung , Fritz Hagemann, mit dem ihr Edgar sonntags immer Abendessen geht?
    Mitte Februar gibt Ilse ihre Dissertation zum Tippen ab. Sie lässt eine Jacke neu färben und trifft sich wieder öfter mit Edgar Salin, der nun bereit ist, ihr – gegen Schuldscheine – Geld zu leihen. Ilse schlägt sich durch.
    Im Februar schreibt Marie nicht mehr so hektisch, die Not bringt auch Gleichmut. Wir erfahren dennoch, was sich in Berlin zuträgt. Auf Anregung von Artur Sommer lernt Marie am Donnerstag, den 12.

Februar die »Freundinnen« am Lützowplatz kennen. Die sechsundsechzigjährige Gertrud Kantorowicz, klein, voller Energie, furchtlos und bestimmend, deren neunundsiebzigjährige Tante Clara Kantorowicz, hochgewachsen und von »jüdischem Adel«, wie sie immer wieder betont, und die zweiundsechzigjährige Witwe Paula Hammerschlag, deren Sohn sich mit der Hilfe von Artur Sommer schon in die Schweiz retten konnte. Marie wird aus ihrem Leben berichten, von ihrem Haus, von ihrer Tochter Ilse in Basel, von den gemeinsamen Bekannten dort und auch davon, dass sie nun schon registriert sei und die »Höllenfahrt« jeden Tag losgehen könne, so wie bei ihren Freundinnen Misch, Baum und Grünthal, die schon weg sind. Die drei neuen Freundinnen sind noch nicht registriert, ihre Reise zur Schweizer Grenze soll dem »Abschub« zuvorkommen, aber wann das genau sein wird, ist noch nicht klar – vielleicht im Frühjahr, wenn es nicht mehr so kalt ist. Für Marie zählt jeder Tag, sie hofft natürlich, dass die »Hochzeitsreise« bald losgeht, lang wird sie sich in ihrem kleinen »Stübchen« nicht mehr halten können.
    Maries Schrankkoffer ist schon geliefert, und auch die anderen Frauen wollen in den nächsten Tagen Gepäck hinbringen lassen. Über diesen Nachmittag berichtet Marie an Ilse:

    Berlin, den 13.

Februar 1942
    Liebste Ille,

    noch immer keine Post von Dir, Du kannst Dir denken, wie ich darunter leide. Hoffentlich ist nur bei Dir alles zufriedenstellend bzw. Deine diesbezüglichen Dispositionen. Der gute Dr.

Sommer ist auf acht bis zehn Tage verreist und hat mich vordem mit seinen Freundinnen bekannt gemacht. Ich besuchte sie gestern am

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