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Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Titel: Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Heim
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erst viele Jahre später.

    FRAGMENTE VII

    Mit 17 bin ich in der Obersekunda von der Cecilienschule abgegangen – ich hatte nur eines im Kopf: zum Theater! Ich war 16, als ich an der Schauspielschule des Deutschen Theaters vorsprach. Schillers Tell : »Lebt wohl ihr Berge, ihr geliebten Triften …«, damit hatte ich schon in der Deutschstunde in der Schule Erfolg. Und meine Mutter kam mit und fragte: »Ist das was?« Und der alte Mime, Professor Gregorius, der mich examinierte, sagte: »Frau Winter, das kann man jetzt noch nicht wissen. Versuchen kann sie es ja mal.« Das war’s dann, und dann ging ich zweieinhalb Jahre auf die Schauspielschule.
    Praktisch ging man jeden Abend ins Theater. Ich erinnere eine Generalprobe mit Ernst Deutsch, Die Ursache hieß das Stück – alle Schülerinnen waren in der Generalprobe – ein Stück von Leonard Franck. Und Deutsch spielt den, der unschuldig verurteilt wird. Ich sitze in der dritten Reihe, stürze auf die Bühne, außer mir, und schreie: »Man kann doch nicht einen unschuldigen Menschen umbringen« – außer mir, aufgelöst! Also, einen schöneren Erfolg hatte Deutsch nie. Er ging mit mir auf die Toilette, ich war ja außer mir, hatte einen Anfall geradezu von Verzweiflung und Tränen – er wusch mir das Gesicht. So einen Erfolg hatte er noch nie gehabt! Ich hatte total vergessen, dass Bühne und Wirklichkeit nicht dasselbe sind.
    Meine schönste Erinnerung eigentlich ist: Theater am Schiffbauerdamm. Da wurden Die letzten Tage der Menschheit in einer Nachtvorstellung für notleidende Schauspieler gegeben. Ich war noch auf der Schauspielschule und spielte ein Opfer militärischer Willkür von Kraus. Es gab einen Bettlerumzug in dem Stück, und da ging ich mit einem Schild, worauf »Opfer« stand.
    Wir probten immer nachts nach der Vorstellung. Schweickart war auch ein bisschen verknallt in mich, und ich sagte ihm, ich müsste am nächsten Tag Falckenberg von den Münchner Kammerspielen vorsprechen, ich hätte die Lulu einstudiert. »Willst du mich da mal abhören, Schweickart?« – »Ja, natürlich« … aber nachts, wir saßen da in der Loge, im Theater auf der Probe. »Na, wo denn? Hier kann man doch nicht.« Also sagt er: »Ich habe eine Idee – wir gehen in ein Absteigequartier. Da ist Ruhe, da nehmen wir ein Zimmer.« Er war ganz sachlich. »Und da kannst du mir das vorsprechen …« War eine großartige Idee – wir sollten erst wieder um drei Uhr morgens dran sein, also gingen wir.
    Ich machte’s vor, und Schweickart meinte: »Ganz in Ordnung«, und korrigierte mich. Und plötzlich klopfte es: »Polizei!! Ihre Ausweise bitte!« Na gut – ich schrie und machte meine Rolle weiter. Kein Mensch hat uns geglaubt. »Kommen Sie mit rüber ins Theater am Schiffbauerdamm, da haben wir die Papiere.« Der Polizist ging mit uns, und die Sache klärte sich auf.
    Alle solche Sachen hat man damals gemacht. Manchmal auch mit Folgen.
    Meine erste Abtreibung ging über Mehring. Sein Freund aus der Dada-Zeit, das war der Richard Huelsenbeck, der war Arzt: »Ja dann kommst du dann, dann mach ich das bei mir zu Hause, im Spital kann ich nicht. Da kommst du am Sonntag, und dann machen wir das. Im Wohnzimmer aufm Sofa.« Die Ursache war wohl schon von meinem Freund Gasbarra. Danach hat er für mich auf dem Kurfürstendamm ein möbliertes Zimmer gemietet. Zu meiner Mutter nach Hause konnte ich damit nicht. Und dann lag ich drei Tage in dem möblierten Zimmer – ja, ja, so war das. Es wurde ausgekratzt.
    Der große Auskratzer und wirkliche Wohltäter war der Klapper, der hieß auch der Abklapper, und der saß immer in der Lunte , das Boheme-Restaurant, war dort schwul und lesbisch und alles, was man wollte, und da saßen immer der Heinz Klapper und die ganzen kleinen Hürchen und Mädchen, die hat er immer – das war strafbar – hat er immer vorgenommen, der Sexbetrieb war an sich munter!
    Ich habe Fritz Kortner angeschwärmt, so wie man das früher als junge Schauspielerin tat. Ich war ein sehr appetitliches junges Mädchen.
    Kortner sagte: »Nun, mein Fräulein, dann gehen wir doch mal zusammen Abendbrot essen« – und ich war im siebten, im letzten Himmel geradezu.
    Und er ging mit mir in das berühmte Restaurant Unter den Linden – unten ist Restaurant und oben sind chambres séparées . Und dann saßen wir da in dem chambre séparée, und Kortner zieht sich die Hosen aus. Schreiend – völlig hysterisch bin ich dann ins Lokal runtergesaust.
    Ich habe es am nächsten

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