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Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Titel: Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Heim
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Wunder zu glauben […]«
    Danach keine Einträge im blauen Büchlein mehr. 1943 ist Abschied, ist Wolkenflug. Für das Weiterleben im Weitererzählen werde ich noch oft in den drei kleinen Kalendern nachblättern. Zunächst aber lege ich sie zurück in den Schuhkarton. Das Jahr 1941 bricht an.

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    »Erzählen kannst Du mir doch wenigstens was Schönes, ob es wahr ist, steht auf einem anderen Blatt – innig, Deine Mutti«
    MARIE AM 27.

FEBRUAR 1941
    1941 ist das Jahr der hundert Briefe aus Berlin. Maries Verzweiflung ist in jeder Zeile zu lesen. Am Neujahrstag 1941 schreibt sie:

    Das Schicksal darf nicht so grausam sein, uns noch lange voneinander zu trennen, wir brauchen uns beide in dieser schweren Zeit, wo einer für den anderen sorgen und ihn betreuen möchte. Auch mir sind fremde Menschen, obgleich sie freundlich und gut und aufmerksam zu mir sind, gar nichts; mit jedem Tage fühle ich mehr, dass ich hier nicht mehr hergehöre, aber wohin denn? Furchtbar, mit 60 Jahren keinen Platz zu haben, wo man ausruhen kann. Gott, wäre es Dir doch möglich, mit Fredi in Ordnung zu kommen, wie wollten wir, wie Du sagst, bescheiden und still uns miteinander erquicken, was kann man denn heute noch viel von der Welt verlangen als Ruhe?
    Dass Deine schöne, so behagliche Wohnung Dir so viel Wärme gibt, kann ich Dir nachfühlen, ich bin genauso dankbar und empfindsam dafür. Meine Pflanzen an den Fenstern und Hyazinthengläser, die bald unter den Hütchen Blüten treiben, sind mein Kinderersatz. Jetzt stehen noch Tannenzweige und Mispeln in den Vasen, als Folie für die herrliche Schneelandschaft draußen.
    Von Silvester wollte ich nichts wissen, ich sollte zu Baums kommen, lehnte es aber ab und ging wie immer ins Bett, wo ich um 12

Uhr nachts Glockengeläute hörte und mit vielen Wünschen einschlief. Und Du, mein Gutes, was hast Du gemacht? Hoffentlich warst Du lustig und bist dem neuen Jahr als gutes Omen recht vergnügt entgegengegangen?
    Ilse verbringt den Jahreswechsel mit Fred zum Wintersport in Arosa. Sie schickt Marie eine Postkarte und Fotos von der Silvestergala.
    Ilse in Arosa, 1941

    Berlin, den 19.

Januar 1941
    Meine geliebte Ille,

    ich weiß gar nicht, was ich davon denken soll, dass ich nichts von Dir höre. Am 7. bist Du doch zu Hause angekommen und hast mir gar nicht bald geschrieben, mir meine dort lagernde viele Post zu beantworten. Wer weiß, was mit Dir wieder vorgeht, dass Dir die Lust zum Schreiben vergeht! Und ich sitze hier voller Angst und warte täglich zweimal nervös auf Nachricht. Grässlich, weil man sich die entsetzlichsten Gedanken macht. Und ich habe vielleicht mit Recht solche täuschenden Ahnungen.
    Es ist sicher schon wieder irgendein Klamauk mit Fredi, der als Debüt im neuen Jahr Dir auf die Nerven gegangen ist, ich kenne Dich doch und halte nichts von Deinen festen Vorsätzen, Schluss damit zu machen. Das sollen immer alles nur Beruhigungspillen für mich sein.
    Warum schriebst Du mir, Du vermeidest es, gefährliche Gespräche mit Fredi anzufangen?
    Fürchtest Du, er will von einer Heirat nichts wissen, trotzdem Du es mir gegenüber immer so hinstellst, als läge es nur an Dir? Ich muss Dir sagen, ich glaube an all die diesbezüglichen Vertröstungen nicht mehr, und darum darf ich mich, was meine Kraft und Mühe betrifft, auch nicht mehr daran klammern. Auf alle Fälle muss ich hier heraus, habe gar keine Lust, persönliche Katastrophen abzuwarten. […]
    Auf Dich zu warten hat für mich keinen Sinn mehr, ich habe genug. Am Mittwoch will ich aufs Konsulat, um eine Auskunft über meine polnische Quote zu erhalten, da ich hörte, dass diese günstiger behandelt werden sollen neuerdings.
    Noch täglich gelingt es Menschen, auszuwandern, also muss es auch uns gelingen, aber gehandelt muss werden und nicht nur Gequatsche […] Es ist mir mein Entschluss vollkommen ernst, und so bitte ich, auch Onkel Willi das zu sagen, und Dich, danach zu handeln. Ich kann Dir natürlich keine Vorschriften machen, aber wenn Deine stets ausgedrückten Äußerungen mich betreffend wahr und aufrichtig waren, nehme ich an, dass Du mit mir gehen wirst. Es wird ja dort [in Basel] mit Deinem Dilemma doch nichts Gescheites, ich sehe das doch von hier aus deutlich genug! Den einen willst Du nicht, und der andere will Dich nicht, vielleicht will sogar der, den Du nicht willst, Dich auch nicht! Darum setze Dich hin und unterhalte Dich genauestens mit Onkel Willi darüber, [es ist] mir wirklich wichtig

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