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Ich will meinen Mord

Ich will meinen Mord

Titel: Ich will meinen Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Vanderbeke
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den Heerscharen Obdachloser, weil er seinerseits gerade kürzlich durch eine Erbschaft seiner Frau in den Besitz zweier Mietshäuser gelangt ist; bei Durchsicht der Unterlagen, die ihm die bisherige Hausverwaltung übergeben hat, ist ihm aufgefallen, daß die Mieten seit Jahren nicht ordentlich angehoben worden sind, er hat sich bei einem Kollegen den Mietspiegel geholt und einmal – alles im Rahmen, alles gesetzlich zulässig selbstverständlich – kräftig aufgeschlagen, besonders in den Läden Parterre, nachdem ihm klargeworden war, daß der Mietspiegel für gewerbliche Nutzung nicht gilt, seitdem zahlt unten links die Familie gar keine Miete mehr, und der Kinderladen droht damit, Putz zu machen; der Richter hat die Zwangsvollstreckung eingeleitet, obwohl seine Frau ihn darauf aufmerksam gemacht hat, daß die zwei Häuser rechtmäßig ihr gehören, es hat eine Auseinandersetzung zwischen dem Richter und seiner Frau über die Frage ehelichen Eigentums und der Gütertrennung gegeben, die den Richter nicht nur gegen seine Frau, sondern vor allem gegen jene Familie aufgebracht hat, die jetzt gar keine Miete mehr zahlt, gegen den Kinderladen sowieso, weil er das Treppenhaus im Laufe der Jahre so versaut hat, daß man es renovieren müßte. Alle sind aufsässig, alle sind gegen ihn, und die Vorstellung, daß seine eigene Frau, ein gekündigter Kinderladen sowie jene Familie, die demnächst zu anarchistischen Obdachlosenzirkeln gehören wird, sich nicht nur gegen Barbagelata (glücklicherweise ist er tot), sondern gegen jeden verbünden, der im Rahmen des Mietspiegels die Mieten anhebt, diese Vorstellung bewegt ihn dazu, unsere Tat für verdienstvoll zu halten, wenn sie denn tatsächlich den Aufstand verhindert haben soll, wie unser Anwalt behauptet.
    Der Richter ist, wie gesagt, keine Gefahr für unseren Anwalt und seine neue soziale Notwehrlinie im Sinne einer Stabilisierung der inneren Sicherheit in der EU . Der wunde Punkt ist vielmehr die Staatsanwältin, die das Strafgesetzbuch auswendig gelernt zu haben scheint, so schnell weist sie unserem Verteidiger nach, daß das alles ja schön und gut sei, Notwehr gegen den Straftatbestand der Weltzerstörung, aber, lieber Herr Kollege, lesen Sie uns doch den Straftatbestand einmal vor. Wie sagten Sie gleich, Paragraph …?
    Da liegt der Hase im Pfeffer, sagt der Verteidiger.
    Er hätte uns lieber unschuldig. Oder, wenn schon nicht unschuldig: als Ex-Maoist, der sich bislang von kleinen Fischen ernährt hat und seinerseits in einer überteuerten Dreizimmerwohnung wohnt, billigt er zwar die Tat, dennoch hätte er gern einen Freispruch mangels Beweisen statt eines Notwehrdelikts gegen einen Paragraphen, den es nicht gibt.
    In der Nähe von Beaune weitere Militäreinsätze. Der Regen ist dicht und stürmisch, die Wasserfläche, unter der der diesjährige Burgunder verkommt, ist braun; im Sturm schwanken Hubschrauber, sie gondeln tolpatschig hin und her, um womöglich die Autobahn zu evakuieren, aber bei dem Sturm ist es aussichtslos. Sobald einer die Strickleiter, die ihn evakuieren soll, zu fassen bekommt, hat der Sturm sie schon weggerissen.
    Die Inspektoren werden ihre Mission in Dijon aufgeben und mit der Hauptverwaltung telefonieren müssen, die aber zur Stunde keine Anweisungen erteilt, bevor nicht das Ausmaß der Naturkatastrophe abgeschätzt werden kann, dazu brauchen wir heute abend die Nachrichten, vor allem den Wetterbericht.
    Ich neige dazu, dem Verteidiger zuzustimmen, wenn auch aus völlig anderen Gründen, ihm geht es nämlich, so durchsichtig ist die Sache, um die Karriere, die Dreizimmerwohnung ist nicht nur teuer, sondern einfach auch überfüllt und zu klein, und seine Frau ist schwanger. Ein Freispruch im Fall Barbagelata wäre ihm lieber, als bei aller Sympathie mit den Tätern wegen des im Strafgesetz fehlenden Tatbestandes der Weltzerstörung von der Regionalpresse eins drauf zu kriegen, während die Weltpresse einen solchen Trottel von vornherein ignoriert und gleich gar keine Berichterstatter zum Prozeß geschickt hat; nachtragend, wie Frauen sind, wird seine Frau ihn lebenslänglich mit der Affäre Armani traktieren, wegen der schon die Anwaltskammer über ihn lacht, während die Täter lebenslänglich gekriegt haben und im Gefängnis sitzen. Und er kann wieder zurück zu seinen kleinen Fischen und in dem Dreizimmerloch bleiben.
    Meinem Verleger könnte es so passen, daß ich hinter Gitter komme. Der Verleger drängt Viszman und mich sanft, aber

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