Ich will meinen Mord
des Bodensees und sämtlicher Flüsse um Konstanz herum leistet, müßte man ihr einmal sagen (ungeheure Mengen Beton sind dafür erforderlich; die erwähnten Kontakte Barbagelatas zur Immobilien- und Baubranche überprüfen!), wenn sie in ihrer Biederkeit nicht selbst dahinterkommt, sondern glaubt, ihr Ruin kam vom Himmel und von der ertrunkenen Autobahn, ohne zu ahnen, wie erfolgreich der Strohmann bei der Knüpfung des bekannten, wenngleich verschwiegenen, daher unsichtbaren internationalen Netzes war, eines feingesponnenen Nylonnetzes zwischen Industrie, Betonierbranche und Barbagelata. Deshalb fährt er so viel herum.
Das müßte man ihr einmal sagen. Dann nämlich ginge das anstehende Verfahren in Sachen Sorgerecht für die beiden Kinder wohl anders aus, als es ausgehen wird, wenn der Südtiroler weiterhin nichts als das lahme Argument ins Feld führt, die Kinder sollten von der nachweislich gemeingefährlichen, da messerstechenden, Hinterräder aufschlitzenden Doro weg und in der Pestalozzi-Stadt Yverdon in Sicherheit gebracht werden, einen groben Abriß der Pestalozzi-Pädagogik sowie einen Besuch des ehemaligen Pestalozzi-Kindererziehungsheims hat ihm die Organistin ohne allzuviel Engagement vermittelt; sie will die beiden bestehenden Kinder eigentlich nicht, die ewig nur schlecht gelaunt sind, wenn sie sonntags nach Yverdon kommen, in die Orgelkonzerte setzen sie keinen Fuß, sondern warten, bis es vorbei ist, vor der Glotze; die Organistin will allmählich selber welche, also eigene Kinder, also gelungene Kinder. Sie wird sich wundern, aber warum sollte sie sich nicht wundern, warum sollte die Technik der Personenführung nur Schriftstellerinnen ein Rätsel sein und nicht auch einmal einer Organistin?
Über Châlon kreisen Hubschrauber, um sich den Untergang einer Stadt von oben anzuschauen. Viel mehr können sie höchstwahrscheinlich nicht tun.
Doros Freundin, anstatt den offenliegenden Zusammenhängen einmal nachzugehen, wird mit der Mittleren morgen zum Zahnarzt gehen; die ganze Familie geht demnächst noch einmal zum Zahnarzt, weil man nicht weiß, ob die Privatkrankenkasse auch weiterhin großzügig alles erstatten wird nach der Pleite; aber: erst einmal das Konkursverfahren hinter sich bringen und sich dann um die Kasse kümmern, vorher alle noch einmal zum Zahnarzt schicken, den Zahnarztbesuch als jährliche Routineuntersuchung erscheinen lassen, möglichst normal wirken, sich nichts anmerken lassen, die Fassade wahren, solange nicht heraus ist, ob uns das Haus überhaupt noch gehört, die elektrische Sprenganlage, die diesjährigen Blattläuse und Dahlien.
U nser Verteidiger hätte uns lieber unschuldig. Fraglos: er sympathisiert mit den Attentätern Barbagelatas, natürlich wäre er zur Not auch bereit, unseren Mord zu verteidigen, nur müßte seine ehemalige Notwehrlinie dann um ein weniges verändert werden mangels Sexualdelikt, aber Notwehr gegen den Straftatbestand der Weltzerstörung ist selbstverständlich mindestens ebenso angebracht und längst überfällig, und letztlich, so unser Verteidiger, kann Europa froh sein, daß diese Notwehrhandlung von zwei Radikalindividualisten begangen wurde, bevor die durch Barbagelata in erster Linie Geschädigten und ins Elend Gestürzten, nämlich die Opfer seiner gnadenlosen Immobilienspekulation, Legionen von Obdachlosen, sich zum Kampf gegen ihn verbündet hätten. Angesichts der Zahlen, die der Anwalt präsentieren kann, wobei er zum Zeichen seiner Besorgnis die Brille etwas vorschiebt, während er die Zahlen aus seinem Dossier hervorsucht, angesichts der Obdachlosenzahlen also, 50 000 allein in Paris, läßt sich zweifelsfrei feststellen, daß Viszman und ich einer drohenden Revolution, einem gigantischen Sicherheitsproblem, durch die Ausschaltung des Urhebers allen Elends zuvorgekommen sind: ein Akt sozialer Notwehr im Sinne der inneren Sicherheit der zur Europäischen Union zusammengeschlossenen Staaten, zumal ein Aufstand der gesamteuropäischen Wohnsitzlosen unberechenbar und daher ein Sicherheitsrisiko erster Größenordnung wäre: Anarchie.
Den Richter, der von seiner Sekretärin für einen KGB -Fall mit Literatur aus der Leihbücherei versorgt worden ist, einen zweiten Fall Mercader, kann unser Anwalt mit einer solchen Rede spielend herumkriegen; der Richter hat Angst vor dem KGB , sämtliche Geheimdienste sind ihm suspekt, KGB , CIA , damit will er lieber nichts zu schaffen haben. Gewaltig schreckt ihn zudem die Drohung mit Anarchie und
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