Ich will meinen Mord
infolgedessen: keine.
Mir aber ist um Viszman etwas bange, wenn ich auf dem Bahnsteig Barbagelatas Muskelprotz sehe, der sogar die Regeln der Perspektive außer Kraft setzt, indem er nicht kleiner wird, als der Zug weiterfährt, an ihnen vorbei und durch den Bahnhof durch und weiter. Barbagelata wird kleiner, wie es die Optik von ihm verlangt, aber der Riese wächst über die Strommasten hinaus.
Mein lieber Viszman, dem wären wir nicht gewachsen. Männliche Furchtlosigkeit in Kombination mit weiblicher Realitätstüchtigkeit ist unschlagbar.
Ich bin froh, daß wir nicht angehalten haben.
Die Inspektorin ist wach geworden und bietet reihum wieder Kaugummi an, um sich selbst den Schlafgeschmack aus dem Mund zu vertreiben. Natürlich hätte sie auch ihrem Erzfeind Kaugummi angeboten, sogar dessen Handlanger hätte ein Kaugummi bekommen, Viszman lehnt wieder ab, auch für mich, nein danke (das Ablehnen eines Kaugummi-Angebots im Sinne diderotscher Kritik an der Kolonialisierung der Welt).
Hunger kriege ich langsam, vor allem Durst, Bahnfahren macht schrecklich durstig, blödsinnigerweise habe ich extra wegen dieser Schweizerinnen die Minibar abgeschafft, obwohl sie längst freiwillig ausgestiegen sind.
Als ob die Minibar sie daran gehindert hätte, nach Bern zu fahren, wo ein Obst- und Gemüsegroßhändler sich wenig für die durcheinandergebrachte Buchhaltung interessiert, die seine Frau schon in Ordnung bringen könnte, wenn da nicht Schlimmeres wäre, das die Buchhaltung zur Bagatelle macht: massenhaft Ärger, diesmal nicht mit der Transportgewerkschaft, die ihrerseits ins Schwimmen geraten ist durch die Unwetterkatastrophe, sondern weil jeglicher Obst- und Gemüsegroßhandel zum Erliegen gekommen ist beziehungsweise ertrunken auf der untergegangenen Autobahn. Bern selbst ist zwar nicht betroffen, überhaupt ragt die Schweiz aus der Angelegenheit vorbildlich oben heraus, insbesondere mit ihren Alpen, das Matterhorn ragt sogar in beneidenswert blauen Himmel hinein; trotzdem kann das hervorragende Hotel sein vorzügliches Müsli ab morgen nur noch mit Dosenobst reichen, weil die Versorgung zusammengebrochen ist. Zählen Sie schon mal das Kirschkompott.
Ein berner Obst- und Gemüsegroßhändler rauft sich die Haare und wartet nun doch mit einiger Unruhe auf seine Frau, die ihm heute abend, wenn die Kinder früh im Bett sind, weil morgen die Schule anfängt, ausrechnen wird, ob er zur Stunde noch Großhändler ist oder bereits bankrott, sämtliche Lkws sind überhaupt nicht angekommen, sondern stehen quer auf der Autobahn. Was da an Fracht vergammelt. Nicht auszudenken.
Minibar! Keine im Zug. Ein Gespräch nicht nur über die notorische Über- oder Unterheizung der Zugabteile, sondern auch über Durst und Hunger, die Nichtbefriedigung menschlicher Grundbedürfnisse, ein zentrales europäisches Thema im Sinne Diderots mit Hinweis auf die Zustände in Tahiti und insbesondere in den SNCF -Einrichtungen zwischen Montpellier und Metz, wäre fällig statt eines Kaugummis, den drei korrupte Naturzuständige mit Sicherheit auch unserem Erzfeind und Weltzerstörer angeboten hätten, säße er jetzt im Abteil; schon deshalb habe ich ihn nicht einsteigen, sondern stehenlassen: es wäre mir unangenehm gewesen, mit ansehen zu müssen, wie sich der Rousseauismus im Laufe zweier Jahrhunderte in blankes Kriechertum verkehrt und verwandelt hat, bloß weil sämtliche Inspektionsbeamte einmal jährlich eingeladen werden in eine Villa am Mittelmeer und sich durch eine – zugegebenermaßen phänomenale – Bouillabaisse zum Schweigen bringen lassen. Denn soviel ist klar: nützt die Veröffentlichung der mit bloßem Auge aus dem Zug heraus erkennbaren Mißstände in den Naturparks, in der Natur überhaupt, diesem Barbagelata, dann nützt ihm ein Verschweigen der Mißstände, förmlich eine unverfrorene Leugnung geradezu angesichts ihrer Unübersehbarkeit, erst recht und noch sehr viel mehr, insofern als Barbagelata von der Zerstörung Europas und Tahitis stillschweigend heimlich im dunkeln profitiert. Und keiner sagt was.
Der Frau eines Obst- und Gemüsegroßhändlers müßte man auch einmal etwas sagen: nämlich daß ihre vorgeblich beste Freundin Doro sie nicht nur mißbraucht hat als Alibi-Pyrenäen-Touristin, sondern durch ihre gefährliche Liebschaft mit dem konstanzer Kontaktmann gewissermaßen indirekt mitschuldig ist am Ruin der berner Firma. Daß der Pharmavertreter seit Jahren tatkräftigen Einsatz für die Betonierung
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