Ich will nur dein Glück: Roman (German Edition)
stattdessen eine Genesungskarte und seiner Frau einen Brief, in dem sie versprach, ihr zur Hand zu gehen, sobald Richard nach Hause durfte. Mehr konnte sie für die beiden im Augenblick nicht tun.
Weil sie so unruhig war, fuhr sie in die Stadt, parkte den Wagen und spazierte durch die Main Street. Es war frisch, aber sie war warm angezogen, und die kühle Luft tat ihr gut und wirkte reinigend auf ihren Geist.
Sie genoss es, einfach nur unterwegs zu sein und wanderte ziellos umher. Bislang hatte sie noch keine Zeit für einen Schaufensterbummel gehabt. Als sie Faiths Inneneinrichtungsgeschäft passierte, erspähte sie drinnen Lanie Harrington, die neuerdings für Faith arbeitete. Wie es aussah, machte sie gerade Feierabend. Kelly hatte zwar schon seit einer Ewigkeit vor, sich in dem Laden einmal umzusehen, aber das hatte auch Zeit, bis Faith und Ethan wieder zurück waren. Sie hatte Lanie Harrington auf Faiths Hochzeit live erlebt, und da sie ja nun gewissermaßen zur Familie gehörte, wusste sie um das angespannte Verhältnis zwischen Faith und ihrer Mutter, die – vornehm ausgedrückt – eine reichlich komplizierte Frau war. Kelly hatte auch gehört, dass einige von Richards Klienten beträchtliche Summen an Lanies Mann, den Investor Martin Harrington verloren hatten. Und sie hatte kürzlich in der Zeitung ein Interview von Lissa Gardelli gelesen, in dem Faith über ihr Leben als Tochter eines Betrügers gesprochen hatte. Von dem Pyramidenspiel-Skandal würde man sich in Serendipity garantiert noch die nächsten hundert Jahre erzählen.
Ein paar Häuser weiter befand sich eine Bäckerei, die Kelly bislang ebenfalls nur vom Hörensagen kannte, sowie ein Laden namens Consign or Design , den ihr Faith empfohlen hatte, als Kelly ihr einmal ein Kompliment für eine ihrer Jacken gemacht hatte. April Mancini, die Besitzerin, war Designerin und vertrieb Secondhand-Ware, die sie teilweise nach eigenen Entwürfen zu zauberhaften Unikaten umgestaltet hatte. Faith hatte ihr zu diesem Zweck einen Großteil ihrer Haute Couture zur Verfügung gestellt, für die sie keine Verwendung mehr hatte, und April ließ sich allerhand damit einfallen und teilte sich den Profit mit Faith. Auch April hatte bereits geschlossen – kein Wunder, es war ja auch schon kurz nach fünf – , aber Kelly nahm sich fest vor, ihr demnächst einen Besuch abzustatten.
Es war an der Zeit, sich auf den Heimweg zu machen. Tess würde gegen sechs nach Hause kommen, und um sieben wollte Nash sie zum Essen abholen.
Nash.
Kelly freute sich darauf, ihn zu sehen, wobei es eigentlich vernünftiger wäre, abzusagen oder das Date zumindest zu verschieben, bis sie ein paar Antworten von Ryan erhalten hatte und wusste, in welche Richtung sich ihr Leben entwickeln würde. Sie konnte unmöglich so tun, als wäre alles in Butter. Sollte sie Tess allein mit Nash losschicken? Nein, die Kleine würde zweifellos ein Theater machen, und dafür hatte Kelly nun wirklich nicht die Energie.
Am besten rief sie Nash einfach an, um ihn auf ein andermal zu vertrösten.
Joe hatte auf dem Weg zu Annie im Blumenladen einen Strauß Margeriten erstanden, weil er irgendwie den Eindruck hatte, dass sie nicht der Typ für Rosen war. Außerdem wollte er ihr nicht zu offensichtlich den Hof machen, schon gar nicht, solange ihr Vater im Krankenhaus lag. In Anbetracht der Umstände war er ohnehin froh, dass sie die Verabredung nicht abgesagt hatte.
Er klingelte und wartete ab. Annie hatte von einem älteren Ehepaar, das nach Florida gezogen war, um in der Nähe seiner Kinder zu sein, ein Häuschen am Ende einer von Bäumen gesäumten Straße gemietet. Das Haus, in dem sie mit Nash gewohnt hatte, hatten sie verkauft. Joe kannte Nash noch aus Schulzeiten, war aber nie besonders eng mit ihm befreundet gewesen – Joe war ein Jahr älter, und Nash hatte einer ziemlich wilden Clique angehört, jedenfalls bis er auf die Privatschule gewechselt war, wo auch Annie die Schulbank gedrückt hatte. Sie war Nashs Jahrgang, und wenn sie am Nachmittag mit ihren Freundinnen durch die Stadt flaniert war, hatte Joe sie oft beobachtet und angeschmachtet, weil sie in ihrer kessen Schuluniform so süß ausgesehen hatte.
Eine kühle Brise ließ ihm den Geruch nach Herbstlaub in die Nase steigen. Er klingelte erneut, wartete, klopfte, trat einen Schritt zurück und betrachtete das Haus. Die Fassade war weiß gestrichen, die Fenster blau umrahmt und flankiert von schwarzen Holzfensterläden. Der Rasen war
Weitere Kostenlose Bücher