Ich will nur dein Glück: Roman (German Edition)
Er kam sich vor wie ein egoistisches Aas.
»Tag Kelly, hier ist Nash.« Die gestrige Nacht war spektakulär, dachte er, doch er sagte nur: »Ich wollte bloß mal Hallo sagen. Ich freue mich auf Samstag. Bis dann.« und legte auf. Dann widmete er sich wieder seiner Arbeit. Er machte erst spät Feierabend und sah zu, dass er ständig beschäftigt war.
Als er gegen Mitternacht ins Bett ging, hatte Kelly noch immer nicht zurückgerufen.
Nach dem Gespräch mit Annie begab sich Kelly wieder in die Kanzlei, wo sie erst ein paar Leute zurückrief und dann eine Liste von Fällen und Fragen zusammenstellte, die sie mit Richard besprechen wollte, sobald er wieder einigermaßen hergestellt war. Dann machte sie sich auf den Weg zu Ethans Villa, damit sie zu Hause war, wenn Tess kam. Da sie beide wussten, dass Kelly in ein paar Tagen wieder in ihre vier Wände zurückkehren würde, hatten sie das stillschweigende Übereinkommen getroffen, möglichst viel ihrer freien Zeit miteinander zu verbringen. Tess musste zwar eine Menge Hausaufgaben erledigen, aber sie setzte sich damit ins Wohnzimmer, wo Kelly ein Buch las, bis ihre Schwester fertig war. Und vor dem Zubettgehen gönnten sie sich je eine Portion Eis mit Schokostückchen und Karamellsoße, so wie früher zu besonderen Anlässen, als Tess noch kleingewesen war.
Gegen halb neun ging Tess dann schlafen, und Kelly beschloss, Ryan anzurufen. Da sie ihr Handy oben in ihrem Zimmer liegen gelassen hatte, nahm sie das Festnetztelefon zur Hand. Sie kannte seine Nummer auswendig, obwohl sie nicht damit gerechnet hatte, ihn je wieder anrufen zu müssen. Aber sie hatte keine Wahl. Sie dachte ja gar nicht daran, sich als Mittel zum Zweck benutzen zu lassen, nur damit ihm seine Ex bei der Scheidung noch mehr Geld aus dem Kreuz leiern konnte.
Sie holte tief Luft und wählte die Nummer.
Es klingelte eine Weile.
»Dies ist der Anschluss von Ryan Hayward«, sagte eine vertraute Stimme schließlich. Eine Stimme, bei der sie lange Zeit weiche Knie bekommen hatte. »Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht, ich rufe zurück.« Es folgte wie üblich ein lauter Pieps, bei dem sie erschrocken zusammenfuhr. Herrje, sie war ja das reinste Nervenbündel.
»Hallo Ryan, hier ist Kelly«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich muss dringend mit dir reden. Ruf mich zurück.«
Sie legte auf, ohne sich zu verabschieden, schwer atmend und angespannt, und blieb danach noch zwei Stunden auf, um ein bisschen zu lesen und eine beruhigende Tasse Tee zu trinken.
Als sie gegen Mitternacht nach oben ging, verriet ihr ein Blick auf ihr Handy, das auf dem Nachttisch lag, dass Nash angerufen hatte. Sie hörte seine kurze Nachricht ab. Er hatte sich lediglich kurz gemeldet, um ihr mitzuteilen, dass er sich auf das gemeinsame Essen freue. Beim Klang seiner Stimme musste sie wieder daran denken, wie wunderbar es mit ihm gewesen war und wie stark ihre Gefühle für ihn allmählich wurden, und sie hatte prompt Schmetterlinge im Bauch vor Vorfreude auf Samstag. Bis ihr wieder einfiel, dass schon bald so einiges zwischen ihnen stehen konnte.
Ryan hatte nicht zurückgerufen, und bei der Vorstellung, dass der Fremde, der in Serendipity unterwegs war, um die Leute über sie auszufragen, früher oder später auch an Nash geraten konnte, wurde Kelly übel.
Sie fuhr sich mit zitternden Fingern durch die Haare und wünschte, sie könnte die Sache mit Nash genießen, ohne sich über die Schatten der Vergangenheit Gedanken machen zu müssen.
Aber so war es nun einmal nicht.
Zum Glück war es bereits zu spät, um Nash zurückzurufen.
Am Freitag sprach sie Ryan erneut eine Nachricht auf Band, und am Samstag eine dritte. Mittlerweile war sie mit den Nerven total am Ende, frustriert und wütend und kaum noch in der Lage, ihre Gefühle zu kaschieren. Als Tess fragte, ob sie mit Michelle und deren Mutter shoppen gehen dürfe, willigte Kelly erleichtert ein, weil das bedeutete, dass sie sich ein paar Stunden lang nicht so zusammenreißen musste.
Richard Kane hatte man inzwischen von der Intensivstation in ein Einzelzimmer verlegt, und er hätte gern Besucher empfangen. Doch Mary und die Krankenschwestern ließen niemanden zu ihm und bezeichneten sich scherzhaft als seine »Gefängniswärterinnen«, was Kelly als ein gutes Zeichen interpretierte. Sie musste lachen, wenn sie sich vorstellte, wie er den Krankenschwestern deswegen die Hölle heißmachte. Da sie ihm weder Blumen noch Leckereien zukommen lassen konnte, schickte sie ihm
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