Ich will nur dein Glück: Roman (German Edition)
verstehe noch immer nicht, warum ihr mir die Wahrheit vorenthalten habt.«
Florence schüttelte den Kopf. »Nach allem, was du erlebt hattest, dachten wir, es würde dich bestimmt verletzen, dass dein Bruder nicht mit dir unter einem Dach wohnen wollte. Wir hatten Angst, du könntest deinen Groll gegen ihn richten. Und wir wollten nicht, dass du das einzige Familienmitglied verlierst, das dir noch geblieben war.«
Als Nash das hörte, spürte er, wie sein Zorn ein ganz klein wenig nachließ.
Ein Blick zu seinem großen Bruder verriet ihm, dass auch diesem die ganze Szene sehr zu Herzen ging. Ethan wirkte sichtlich verstört. Erst jetzt ging Nash auf, dass auch Ethan beträchtliche seelische Qualen erlitten hatte.
»Ich muss mit Dare reden«, sagte er.
Florence, die Frau, die er Mom nannte, wenn er bei ihr zu Hause war und die er in Dares Gegenwart als seine Adoptivmutter bezeichnete, streckte ihm die Hand hin. Jahrelang hatte er sich zerrissen gefühlt, hatte mit seinen Schuldgefühlen fertigwerden müssen, weil er das Glück gehabt hatte, hier wohnen zu dürfen, während Dare bei den stets abgebrannten Garcias ein tristes Dasein gefristet hatte. Die Dankbarkeit, die er gegenüber den Rossmans empfunden hatte, war stets von Hass durchsetzt gewesen, weil sie nur ihn adoptiert hatten, nicht aber seinen Bruder.
Doch jetzt wurde ihm klar, dass sie bereit gewesen waren, mit einer Lüge zu leben und seinen Zorn hinzunehmen, nur damit Nash nicht auch noch Dare verlor.
Man hatte sie schlecht beraten – seiner Meinung nach hätten sie ihn einweihen und ihm die Entscheidung überlassen müssen. Aber sie hatten nur sein Bestes gewollt.
Samuel und Florence waren sein zweiter Vater und seine zweite Mutter gewesen, und sie hatten ihn geliebt. Es würde noch lange dauern, bis er ihnen verzeihen konnte, aber seine Wut beeinflusste nicht länger seine Gefühle für sie.
Er streckte den Arm aus und ergriff die Hand seiner Mutter, um ihr zu signalisieren, dass er zumindest ansatzweise nachvollziehen konnte, was sie getan hatte und warum. Als sie sich alles gesagt hatten, was es zu sagen gab, brach er auf.
Es war an der Zeit für ein Gespräch mit Dare. Nie wäre Nash auf die Idee gekommen, dass ausgerechnet Dare des Rätsels Lösung kannte. Er hatte ja sogar überlegt, wie er ihm die Neuigkeit möglichst schonend überbringen sollte. Da hatte er stets angenommen, er würde Dare in- und auswendig kennen, und nun kam es ihm plötzlich so vor, als wäre er ein Wildfremder für ihn.
»Wenn du hier weiterhin so auf und ab tigerst, muss ich bald den Teppich erneuern«, scherzte Faith Harrington Barron. Kelly war vor ein paar Minuten aufgekreuzt und lief seither ruhelos im Wohnzimmer hin und her.
Sie hatte gehofft, Ethan würde sich bei Faith melden, doch bislang schwieg das Telefon. Und da Faith wusste, wie viele emotionale Hürden die Barron-Brüder überwinden mussten, ging sie davon aus, dass sie nicht allzu bald von ihnen hören würden. Es war natürlich auch möglich, dass Ethan gar nicht anrief, sondern einfach nach Hause kam, nachdem er Nash nach bestem Wissen und Gewissen geholfen hatte, wie lange auch immer das dauern mochte.
»Entschuldige.« Kelly blieb mitten in dem großen Raum stehen, der Faiths Lieblingszimmer war.
»Entspann dich, das war ein Scherz«, sagte Faith zu ihrer sichtlich nervösen Besucherin. »Ethan und Nash verbindet eine sehr komplizierte Vergangenheit, und jetzt, wo auch noch Florence Rossman und Dare mit ins Spiel gekommen sind, werden sich wohl kaum sämtliche Querelen binnen fünf Minuten in Wohlgefallen auflösen.«
Kelly seufzte und ließ sich auf das Sofa plumpsen. »Irgendwie habe ich das ungute Gefühl, dass sie das überhaupt nie tun werden.«
»Warum sagst du das?«, fragte Faith mit schmalen Augen. Eine derart negative Einstellung war nicht gerade hilfreich.
»Vielleicht, weil Nash es nicht ausstehen kann, wenn man ihn anlügt oder hintergeht?« Kelly sprang auf und begann wieder im Zimmer hin und her zu gehen.
Sie trug einen Jogginganzug aus Samt, und wenn sie sich weiter so oft die Arme rieb, zeigte der Stoff dort garantiert bald erste Abnutzungserscheinungen. Faith war bewusst, dass die Informationen, die er heute erhalten hatte, für Nash von grundlegender Bedeutung waren. Und ihr war klar, wie viel Überwindung es Ethan gekostet hatte, seinen Bruder aufzuspüren und für ihn da zu sein – ob dieser es wollte oder nicht. Aber sie lief deswegen weder Löcher in den Teppich,
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