Ich will nur dein Glück: Roman (German Edition)
schob den Autositz etwas weiter nach hinten und streckte sich, während er mit rauer, leiser Stimme sagte: »Ich habe mich gehasst, und ich konnte an nichts anderes denken als an meinen Hass. Ich war dafür verantwortlich, dass unsere Eltern an jenem Abend unterwegs waren und getötet wurden. Ich war achtzehn, und ich hatte richtig Scheiße gebaut. Für mich gab es nur meinen eigenen Kummer. Ich bin abgehauen, weil ich ein Feigling war.«
Nash schluckte den Kloß, der ihm plötzlich im Hals steckte, hinunter. In den vergangenen zehn Jahren hatte der Hass auf seinen großen Bruder sein Leben bestimmt, aber Nash hatte nicht ein einziges Mal in Betracht gezogen, dass Ethan sich selbst ebenfalls hassen könnte. Ihm fiel wieder ein, dass Ethan schon einmal etwas in dieser Richtung erwähnt hatte, bei ihrer ersten Konfrontation vor ein paar Monaten, als Tess aufgetaucht war. Aber damals hatte Nash gar nicht richtig hingehört. Zu laut war das Rauschen der Wut in seinen Ohren gewesen – ein Rauschen, das er im Laufe der Jahre stets gehört hatte, wenn er an Ethan gedacht hatte.
Doch jetzt nahm er bewusst wahr, was sein Bruder sagte. Er umklammerte das Lenkrad, hin- und hergerissen zwischen seinem durchaus gerechtfertigten Zorn und der Erkenntnis, dass Ethan mit seinen achtzehn Jahren nicht in der Lage gewesen war, die richtige Entscheidung zu treffen.
»Ich hätte meinen Mann stehen und hierbleiben sollen.«
Zum ersten Mal wollte Nash darauf etwas anderes entgegnen als sein übliches Ja, verdammt noch mal, das hättest du tun sollen. »Du kannst die Vergangenheit nicht ändern.« Mehr brachte er im Augenblick nicht heraus.
»Stimmt, aber ich wünschte trotzdem, ich könnte es. Und ich könnte mir vorstellen, dass es Dare genauso geht, was auch immer die Gründe für sein Verhalten gewesen sein mögen.«
Nash sah die Umgebung kaum, während er durch die Innenstadt von Serendipity fuhr. Er dachte an Dare und den Verrat, der ihm bleischwer im Magen lag.
»Das mag schon sein, aber er hat mir jahrelang die Wahrheit vorenthalten. Du warst wenigstens nicht Tag und Nacht in der Nähe. Er wusste, wie schwer es mir gefallen ist, das anzunehmen, was mir die Rossmans geboten haben« – insbesondere ihre Liebe – »und das alles nur, weil ich dachte, sie hätten sich ganz bewusst gegen ihn entschieden.«
Ethan schwieg. Offenbar fiel selbst ihm keine Erwiderung darauf ein.
»Ich bin sogar zweimal abgehauen«, erzählte Nash. Er fuhr jetzt langsamer, je näher sie seinem Wohnblock kamen. Er musste noch einiges loswerden, ehe er sich mit Dare auseinandersetzte.
Ethan schien es zu ahnen, denn er musterte ihn abwartend.
»Ich konnte mich nicht damit abfinden, dass ich so viel hatte und er nur so wenig. Ich wollte wie er bei den Garcias leben, damit ich mich um ihn kümmern konnte.«
»So wie ich mich um euch hätte kümmern sollen«, sagte Ethan.
Diesmal fiel Nash beim besten Willen keine Entgegnung darauf ein. »Als mich die Cops das zweite Mal zu den Rossmans zurückgebracht haben, wusste ich, dass ich mir etwas anderes einfallen lassen musste. Also habe ich angefangen, Essen und Klamotten für Dare rauszuschmuggeln. Ich fand mich ziemlich clever, weil ich nie erwischt wurde.«
»Glaubst du, die Rossmans haben dich durchschaut?«, fragte Ethan.
Im Nachhinein betrachtet war das wohl anzunehmen. »Vermutlich. Es würde mich wundern, dass sie es mir tatsächlich abgekauft haben, als ich behauptet habe, ich wüsste nicht, wo meine Jeans abgeblieben seien. Ich habe gesagt, ich hätte sie wahrscheinlich in der Umkleide der Sporthalle vergessen … Und sie haben sicher auch bemerkt, dass ich ständig Essen aus der Küche geklaut habe!« Nash kam sich vor wie ein Trottel.
»Du hast es für Dare getan«, stellte Ethan fest.
Nash lachte laut auf. »Ja, und ich habe Richard Kane sogar gebeten, Dare und die Garcias im Auge zu behalten! Er hat mich angesehen und es mir versprochen. Ich habe ihm vertraut , und er hat mich angelogen.«
Sie waren nun vor dem Reihenhaus angelangt, in dem er wohnte. Dares Wagen stand auf einem der beiden Parkplätze vor dem Eingang.
»Bereit?«, fragte Ethan.
Nash hätte nur zu gerne Ja gesagt, aber er war alles andere als bereit. Er wollte von Dare eigentlich nur hören, dass die Unterlagen gefälscht waren, dass Florence ihm ein Märchen aufgetischt hatte. Er wollte definitiv nicht hören, dass sein kleiner Bruder ihn belogen und hintergangen hatte, obwohl Nash es als seinen erklärten Lebenszweck
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