Ich will nur dein Glück: Roman (German Edition)
Menschen seine Adoptiveltern waren, doch erst jetzt erkannte er das wahre Ausmaß ihres Edelmuts.
Eine letzte, quälende Frage war noch offen. »Warum hast du es mir nicht erzählt?«, wollte Nash wissen.
Von all dem, was er heute erfahren hatte, traf ihn dieser Umstand am schmerzlichsten, und er hatte keine Ahnung, ob er je darüber hinwegkommen würde, dass sein kleiner Bruder ihm nicht vertraut hatte und ihm etwas so Wichtiges über Jahre hinweg verschwiegen hatte.
Reue spiegelte sich in Dares düsterer, bekümmerter Miene. »Nach diesem Tag war ich nie mehr ganz derselbe. Ich war zwar erst fünfzehn, aber ich habe mich um Jahre älter gefühlt.«
Plötzlich erinnerte sich Nash, dass seinem Bruder zuweilen genau dieser finstere Ausdruck über das Gesicht gehuscht war. Er hatte sich darüber gewundert, doch eine Sekunde später war der Spuk vorüber und Dare wieder ein stinknormaler, unbeschwerter Junge gewesen.
Jetzt kannte Nash endlich den Grund dafür.
»Du hattest die Chance auf ein angenehmes Leben bei anständigen Pflegeeltern«, fuhr Dare fort. »Und ich wusste, wenn ich es dir sage, dann würdest du das alles aufgeben, um mir beizustehen.«
»Also hast du beschlossen, mir die Wahrheit vorzuenthalten, genau wie Samuel und Florence. Alle dachten, sie wüssten, was das Beste für mich ist«, echauffierte sich Nash mit erhobener Stimme. »Und keiner hat auch nur einmal daran gedacht, mich zu fragen, was ich will.«
Die Wut, die schon den ganzen Tag in ihm kochte, brach unvermittelt aus ihm heraus. Vergessen war der Kummer, mit dem Dare hatte leben müssen. Nash konnte nur noch an seine Machtlosigkeit denken, daran, dass man ihn seiner Entscheidungsfreiheit beraubt hatte.
»Richard und die Rossmans haben nur getan, was sie für richtig gehalten haben«, beharrte Dare. »Und ich auch.«
Nash bohrte ihm den Zeigefinger in die Brust. »Dazu hattest du kein Recht.«
Ethan erhob sich und schob sich zwischen seine Brüder. »Wir alle haben nur getan, was wir für das Beste hielten.«
»Na, toll. Soll ich euch mal etwas sagen? Ihr habt das getan, was das Beste für euch war, ihr gottverdammten egoistischen Schweine!«, schrie Nash. Das Blut rauschte in seinen Ohren, und das Herz pochte heftig in seiner Brust. »Und jetzt macht, dass ihr rauskommt! Alle beide!« Er deutete auf die Wohnungstür.
Ethan und Dare sahen sich an, dann nickten sie und verließen die Wohnung.
Kelly war nach Hause gefahren und hatte dort den ganzen Nachmittag auf einen Anruf von Nash gewartet. Gegen Abend hatte er sich noch immer nicht gemeldet. Ethan hatte ihr in groben Zügen geschildert, was geschehen war, und ihr war klar, dass Nash nun etwas Zeit benötigte, um zu verarbeiten, was er erfahren hatte.
Gegen acht gab sie sich einen Ruck und wählte Nashs Nummer, erreichte aber nur den Anrufbeantworter. Weil sie sich Sorgen machte und die Ungewissheit nicht länger aushielt, setzte sie sich ins Auto und fuhr zu ihm. Sein Wagen stand in der Einfahrt.
Sie klingelte und klopfte, doch es tat sich nichts. Schließlich drehte sie probehalber am Türknauf und stellte fest, dass nicht abgeschlossen war.
Kelly holte tief Luft und trat ein. Sie fand Nash im Wohnzimmer, wo er in einem Fauteuil lümmelte, auf dem Tischchen neben sich eine halb leere Flasche Jack Daniels und ein volles Glas in der Hand.
»Ich schätze, ich muss mir keine Hoffnungen machen, dass diese Flasche schon halb leer war, als du angefangen hast zu trinken?«, fragte sie.
Nash hob überrascht den Kopf und stierte sie mit glasigen Augen an. Seine Jeans waren nicht zugeknöpft, sein Hemd zerknittert. »Was willst du denn hier?«
»Was meinst du wohl?« Sie marschierte auf ihn zu und griff nach der Flasche.
Er grinste zu ihr hoch. »Machst du dir etwa Sorgen um mich?«
»Muss ich das denn?«
»Nein.« Er erhob sich und schwankte wider Erwarten kaum, als er vor ihr stand. »Ich kann schon auf mich selbst achtgeben.«
Sie stemmte ihre freie Hand in die Taille. »Etwas anderes habe ich auch nie behauptet.«
»Da bist du mit deiner Meinung aber allein auf weiter Flur.« Er starrte in die bernsteinfarbene Flüssigkeit in seinem Glas.
Kelly konnte durchaus nachvollziehen, was in ihm vorging, konnte auch verstehen, dass er seinen Kummer in Alkohol zu ertränken versuchte. Aber jetzt hatte er sich lange genug in Selbstmitleid gesuhlt. Sie entwand ihm das Glas, bevor er es noch einmal zum Mund führen konnte, und ging damit hinaus.
»Hey? Wo willst du mit meinem Drink
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