Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
einer Million Meilen Entfernung die Eingangstür einer Wohnung beobachtet hatte. Es überraschte sie, auf seinem Gesicht ein breites Grinsen zu sehen.
»Bryony Sharp ist unten. Sie hat mir gerade haarklein alles über ihren Kontakt mit unserem Stevie erzählt. Und man musste sie nicht erst überreden …« Maxwell ließ sich auf einen Stuhl fallen und übergab ein Aussageformular. »Sie ist bereit, das vor Gericht zu wiederholen, wenn es nötig sein sollte. Eigentlich ist sie ein nettes Mädchen. Ein ruhiges Mädchen, ziemlich verschreckt. Sie hat Angst, dass er dasselbe mit einer anderen armen Sau machen könnte.«
»Du hast ihr hoffentlich keine großen Hoffnungen auf eine Verurteilung gemacht.« Daniels sah von dem Dokument auf. »Die Staatsanwaltschaft zerpflückt uns das hier wahrscheinlich schon, bevor wir es auch nur vorlegen können. Alle möglichen Leute hätten ihren Drink mit Drogen versetzen können, Lisas auch, nebenbei gesagt. Wir wissen alle, dass er so schuldig ist wie die Sünde selbst, aber bisher haben wir nur Indizien, keine Beweise, auch wenn Bryony direkt bei seiner Wohnung aufgewacht ist.« Daniels sah auf die Uhr an der Wand: fünf Minuten vor elf. »Lisa, Andy, Sie können eigentlich nach Hause gehen. Neil, bedanken Sie sich in meinem Namen bei Bryony Sharp, und sorgen Sie dafür, dass sie heimkommt, bevor Ihre Schicht zu Ende ist. Und ich meine nicht, dass Sie sie jemand anderem anhängen. Tun Sie’s selbst, danach können Sie auch Feierabend machen.«
Maxwell nickte. Er hievte sich aus dem Stuhl und trollte sich, wobei er eindeutig unglücklich aussah. Brown nahm seine Jacke und folgte ihm hinaus, wobei er über die Schulter zurücksah, als er sich der Tür näherte.
»Kommst du, Lisa?«
»Nein. Ich bleibe noch und warte auf die Spurensicherungsleute. Ich hab den größten Teil des Tages im Bett gelegen und bin hellwach. Um ehrlich zu sein, fühle ich mich ganz schön aufgedreht.«
Wie geplant nahmen sie Freeks Vernehmung um Punkt elf Uhr wieder auf. Er hatte eine lange Liste zusammengestellt, die unter anderem detaillierte Beschreibungen der zwei Männer enthielt, die laut ihm Druck auf ihn ausgeübt hatten. Außerdem Zeiten, Daten und Orte, wo er sich mit ihnen getroffen hatte.
»Vergessen Sie da nicht was?«, fragte Daniels.
»Keine Namen, keine gruppendynamischen Kennenlernspiele …«, sagte Freek. »Wir waren wohl kaum Busenfreunde.«
»Warum haben Sie die Informationen nicht elektronisch geschickt?«, fragte Gormley. »Das hätte Ihnen doch viel Kummer erspart.«
»Warum wohl?« Freek lachte nicht.
»Halten Sie mich bei Laune«, drängte Gormley.
»Weil Computerspuren unanfechtbare Beweise sind, deshalb. Paradox, oder? Aber da ich jetzt nun mal unter Arrest stehe, haben sich meine Voraussetzungen deutlich geändert. Ich gehe nicht allein unter, das kann ich Ihnen versprechen. Ich hatte mit dem Tod dieses Mädchens nichts zu tun. Nichts.«
Daniels beobachtete ihn einen Augenblick lang. Seine Informationen konnten für die Polizei Durham durchaus von Interesse sein, aber was ihren eigenen Fall anging, gaben sie wenig her. Die Verbindung zwischen dem Mann, den sie vor sich hatte, und Amy Grainger war extrem lose. Es war eine schwierige Entscheidung, aber sie beschloss hier und jetzt, ihn anderen zu übergeben und sich selbst ausschließlich auf die Ermittlung des Mordfalls zu konzentrieren.
»Ich werde Sie im Auge behalten, Mr Freek. Sie können sich acht Stunden lang ausruhen, dann wird jemand kommen und Sie morgen vernehmen, wenn ich die Gelegenheit gehabt habe, das hier zu überprüfen. Bis dahin bleiben Sie hier.«
Daniels’ Telefon klingelte. Merkwürdigerweise war es Carmichael. »Lisa? Was ist los?«
»Sie werden nicht glauben, was ich gerade gefunden habe«, sagte sie.
64
Der Einsatzraum sah zu dieser Nachtzeit immer unheimlich aus: Deckenlampen ausgeschaltet, Arbeitsplätze leer, Computerbildschirme tot – und dank des Reinigungspersonals ein Geruch nach Bohnerwachs in der Luft. Carmichael war angespannt. Sie stand direkt vor der Fallwand an einem von Licht gefluteten Ort, das von Spots in der Decke kam. Sie hatte zwei Schreibtische abgeräumt und sie aneinandergestellt, sodass sie eine lange Ablage bildeten. Eine flache Beweismittelkiste stand an einem Ende, Freeks Laptop noch darin. Eine zweite, leere Kiste lag auf dem Boden, und ihr Inhalt war ordentlich ausgebreitet: Zeitschriften auf einem Stapel, Fotografien, Poster und so weiter.
Daniels hob die
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