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Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933 - 1945.

Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933 - 1945.

Titel: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933 - 1945. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Klemperer , Hadwig Klemperer , Walter Nowojski
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verlief teils gut, teils ungut.
    Um zwei, sehr vollgegessen und bei sehr schwerer Hitze, wandertenwir weiter, langsam bis zum ersten Waldstreifen, wo wir fast eine Stunde ruhten. Es half nichts, wir blieben müde, mich quälten die Füße, die hübsche Landschaft kam gegen die Hitze und die grausamen Stiefel nicht auf, eine Tasse Buttermilch in Obermünchen , selbst die allerdings anspannende Ruhepause auf einem wild von Ungarn kutschierten, vollgestopftem Heuwagen halfen nicht über Depression hinweg. Immerhin schafften wir eine Strecke von 15 km, davon gut und gern 12 zu Fuß.
    Dies der dritte Tag mit seinem geringen Ergebnis: Gammelsdorf–Pfeffenhausen, Montag, 28. Mai.
    Für den nächsten Tag war uns die Hoffnung auf ein Milchauto gemacht worden, sie ging in Erfüllung, aber nur recht unvollkommen. Die Bäuerin führte uns zur Molkerei, wo es ganz ähnlich zuging wie in Aichach, nur daß sich hier die Fahrer erst flehentlich bitten ließen, einen Gast mitzunehmen. Und dann mußten wir von acht bis Viertel neun bei steigender Sonnenglut an der Rampe warten, ehe das Aus- und Einladen beendigt war, und als wir endlich hoch und eng auf Butterkisten und Milchkannen ins Kühlere fuhren, wurden wir schon nach 6 km wieder abgesetzt – es hatte sich kaum gelohnt.
    Vierter Tag also: Dienstag, 29. Mai, Strecke Pfeffenhausen– Markt Schierling, etwa 20 km.
    Der fünfte Tag, Mittwoch, begann mit einer schweren Enttäuschung und brachte drei dramatische Höhepunkte. Der Mann des Milchautos war ein rüder Dickkopf und lehnte es ab, uns mitzunehmen. Wir begannen nun die Wanderschaft mit einem sehr müden Schlich nach dem 4 km entfernten Eggmühl.
    Wir hatten also an diesem fünften Wandertag, Mittwoch, 30. Mai, die Strecke Schierling–Regensburg geschafft, und damit unser erstes Ziel erreicht.
    Der sechste Tag war ganz von Regensburg ausgefüllt. Mit Regensburg schließt sehr deutlich der erste und eigentlich heroische Teil unserer Wanderung, in dem wir fast ausschließlich auf unsere Füße angewiesen waren.
    Tag sieben also: Strecke Regensburg–Schwandorf, 50 km, Freitag, 1. Juni.
    In Reuth , abends Abgekämpftheit und Mattigkeit, gehe ich zum Bürgermeister, er weist mich mit bürgermeisterlichem Quartierzettel, auf Lager und Essen lautend, ins Gasthaus, das einem Fleischer gehört. Der Wirt und Fleischer, übellaunig und sehr grob: »Meinen Sie, ich richte Ihnen einen Salon her? Im Saal auf Stroh können Sie schlafen, wenn Sie wollen, zu essen und zu trinken geb ich Ihnen nichts, wir haben nichts mehr.« Eva hatte inzwischen einen Gartenpavillon entdeckt, in dem viel Gepäckstücke, aber nur ganz wenig Menschen lagen, dort schliefen wir, behelfsmäßig wie in einem Wartesaal.
    Das war der Tag acht, Samstag, 2. Juni, einer der wüstesten und anstrengendsten trotz geringer Fußleistung, vielfach unterteilte Strecke Schwandorf–Reuth, ich weiß nicht, wie viele km lang.
    Sonntag, der neunte Wandertag, brachte einen wunderschönen, nur bei nüchternem Magen sehr anstrengenden Fußmarsch, 11 km weit, zur Station Wiesau. Wir brachen am allerfrühesten Morgen, lange vor sechs, auf, um die Hitze zu vermeiden. Wir gingen richtige Mittelgebirgswege, wie sie Verschönerungsvereine den Touristen mit Markierungen (an unnützen Stellen, nie an nötigen) bezeichnen, mit Wald und Wiese und Ferneblick.
    Am zehnten Tag, Montag, 4. Juni, wieder um fünf Uhr begonnen, schöne Morgenfrühe, schöner Gebirgsblick – alles wäre schön gewesen, ohne die Müdigkeit und all das andere, was nun summiert auf uns lastete. So wurde aus der touristischen Sommerfreude sehr bald wieder das mühselige, heiße, nüchterne und beladene Trotten, die Strapaze auf baum- und erbarmungsloser Hoch- und Tiefstraße. Um acht waren wir in Feilitzsch , dem ersten Dorf mit sächsischem Namen. Von Feilitzsch aus sollte ein Zug nach Plauen gehen. Auf dem Bahnhof erfuhr ich, daß ein Zug hier nicht durchkomme. Nur eine Lokomotive werde um 13.30 Uhr passieren, aber da ich doch Kurier des Zaren sei (meine fragwürdigen Zettel und Papiere taten Wunder), so solle ich mitgenommen werden.
    Wir ruhten uns entspannt aus, lagerten eine Weile am hohenStraßenrand über dem RAD-Lager, gingen dann langsam und siegesgewiß zum Bahnhof Feilitzsch zurück. Dort hatte sich inzwischen ein Häufchen Militär angefunden, ich fragte mich, wie eine einzelne Lokomotive uns alle mitnehmen solle. Der Telegraph meldete sie, alles stellte sich zurecht. Es erschien eine Lokomotive mit

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