Ich wollte Hosen
mehr.
Dann kam mein Vater, er blieb kurz in der Tür stehen und sah Angelina überrascht an, aber dann ging er zu ihr hinüber und streckte ihr seine erdverschmierte Hand entgegen, Angelinas Hand wurde schmutzig. Er beschmutzte ihr die weiße Hand, und ich sah, wie Angelina angewidert das Gesicht verzog, und haßte meinen Vater. Aber Angelina war höflich und lächelte und hielt den Blick gesenkt, wenn sie sprach, und mein Vater ließ sich überreden, mich den folgenden Nachmittag zu ihr nach Hause zum Lernen zu schicken, aber nur bis sieben, höchstens, weil es nicht gut war, daß ein Mädchen zu dieser Stunde allein unterwegs ist. Angelina konnte ihn überreden, die Uhrzeit fürs Nachhausekommen bis acht hinauszuschieben, sie versprach, daß mich ihre Eltern heimfahren würden, im Auto. Ich vergaß jetzt die schwarzen Wände und dachte an das Fest am nächsten Tag. Meine Träume waren in rosa Banalität getaucht, in Bilder aus Foto-Love-Stories oder Fräuleinromanen der berühmten Liala, wenn nicht gar aus der Märchenwelt. Wer weiß, warum an einem bestimmten Punkt deines Lebens deine Gedanken so banal und gewöhnlich werden, während du sie als so einzigartig und besonders empfindest! Aber vielleicht ist es nicht nur ein Moment, es ist das ganze Leben, das eigentlich immer die gleiche einzigartige und besondere Banalität ist. Jedenfalls war ich für mich die einzige auf der Welt, die von diesem Fest, diesen Jungen, diesem Kleid träumen konnte. Ich stellte mir meinen triumphalen Einzug in einen von Lichtern glänzenden Saal vor, dessen weiße Wände über und über mit Bildern bedeckt waren, und die bewundernden Blicke und die kleinen Bemerkungen, auf die ich jetzt nicht mehr verzichten konnte. Was eine schlichte äußerliche Veränderung sein sollte, war dabei, zu einer seelischen Revolution zu werden: Ich wollte im Mittelpunkt stehen, alle Blicke auf mich ziehen, mich zwischen tausend Aufforderungen zum Tanz durchlavieren, ich war komplimenteabhängig geworden ...
Natürlich schlief ich in dieser Nacht wenig und schlecht, mit dem Ergebnis, daß die zwanzig Minuten große Pause nicht ausreichten, um die Ränder unter meinen Augen zum Verschwinden zu bringen.
Endlich war das Fest da. Angelina kam mich um 17 Uhr zu Hause abholen, mußte sich die letzten Ermahnungen meiner Mutter über die vereinbarte Zeit zum Heimkommen anhören, und wir gingen. Ich schämte mich noch immer, daß ich arm war, aber die Demütigung war noch stechender, als ich zu Angelina nach Hause kam. Es war kein Schloß oder Palast, aber in meinen Augen war es sehr viel mehr. Die Eingangstür in hellem Holz mit glänzendem Messingknopf, ein langer, langer Korridor und viele, viele Zimmer.
Angelina verhielt sich bei ihr zu Hause völlig anders zu mir: Sie schalt mich, weil ich alles anfaßte, sie sagte, ich sei ein Trampel, meine Schuhe beschmutzten den Fußboden, meine Hände beschmutzten die Möbel, die Vase hier könnte ich zerbrechen oder das Nippesstück dort, und ich wurde immer kleiner. Sie brachte mich sofort ins Badezimmer, genauer gesagt, in eines der beiden Badezimmer, sie hatten nämlich zwei, obwohl sie zu Hause nur zu dritt waren: Die Fliesen waren wie Spiegel, man konnte sich wirklich darin sehen; die Ba-dewanne war groß und ganz emailliert, hatte keinen Kratzer oder irgendeinen Rostfleck; Teppiche lagen auf dem Boden und auf dem Klodeckel, und die Handtücher waren alle von der gleichen Farbe und sehr sauber. Ich traute mich kaum, auf diesen Fliesen zu gehen, als könnte mein Spiegelbild diese Vollkommenheit zerstören. Ich dachte, Angelina wollte mich schminken, und fragte sie, wo ich mich hinsetzen solle.
»Du willst doch wohl nicht so kommen? Wasch dich zuerst und nimm ein bißchen von meinem Parfüm.«
Diese Worte verletzten mich zutiefst: Ich war arm, elend, eine Hungerleiderin, aber nicht schmutzig! ... Ich hatte mehr als eine Stunde lang gebraucht, mich in dem kleinen Bottich zu waschen, ich hatte mich wieder und wieder im Spiegel angesehen, ich hatte mir sogar Talkum überallhin getan, von seinem Geruch wurde mir fast schlecht, aber ich war nicht schmutzig.
Ich antwortete ihr nicht, sie ging hinaus, sagte noch, ich solle den Fußboden nicht naßmachen und mich mit dem roten Bademantel abtrocknen, nicht mit dem weißen, und ich dachte wieder an ihr weißes Kleid und die schwarzen Wände. Ich hätte vor Wut weinen mögen, vor lauter Demütigung, aber sie kam wieder herein, und ich konnte mir gerade noch den Rock wieder
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