Ich wollte Hosen
mit dem Herzen angeschaut, und vielleicht kann ihr deshalb niemals etwas wirklich gehören.
Wie vorausgesehen, waren nur wenig Mädchen da, drei oder vier, Jungen etwa zwanzig, alle gutaussehend und geschniegelt. Natürlich stand Angelina im Mittelpunkt, sie wurde zu allen Tänzen aufgefordert, lachte, lächelte, wurde ernst, schaute interessiert, schaute gleichgültig. Und wir waren die Aushilfen, wenn Angelina zu beschäftigt war und sich nicht um alle kümmern konnte.
Der einzige, der sich für mich zu interessieren schien, war Nicola, ein zwanzigjähriger Junge, sehr dunkel, aber mit Augen wie himmelblauer Kristall. Ich tanzte nur mit ihm und erzählte ihm von mir, wobei ich es sorgsam vermied, auf meine Familie zu sprechen zu kommen. Nicola war sehr nett, er schaute mir in die Augen, und ich vergaß alle Regeln, dann faßte ich mich wieder und sah ihm auf den Mund, hielt dabei die Lippen halb geöffnet, und er fing an, mich zu betatschen, da schlüpfte ich voll in meine Rolle: Ich sah ihn an und tadelte ihn schelmisch, und natürlich berührte er mich ein paar Minuten später wieder.
Inzwischen war es 19.30 Uhr geworden, und ich mußte gehen. Angelina lag auf einem Ses-sel, ein Junge küßte sie. Ich machte mir Sorgen, weil ich ihre Eltern noch nicht gesehen hatte, und schweren Herzens ging ich zu ihr hin. Sie sagte, ihre Eltern seien oben, im Schlafzimmer, und hätten bestimmt keine Zeit, mich heimzufahren. Ich geriet in Panik. Aber Angelina fügte hinzu, sie würde Nicola sagen, er solle mich heimfahren, und sie lächelte schelmisch. Nicola sagte gerne ja und schaute Angelina dankbar an. Ich fürchtete wegen meines Vaters, daß er ihn sehen könnte, war aber trotzdem einverstanden, weil ich nicht zu Fuß nach Hause gehen konnte und weil ich mit ihm allein sein wollte. Ich zog mich sofort aus und wusch mir das Gesicht. Nicola umarmte mich und ließ mich in den Wagen steigen. Auf dem Weg fing er an, mir Komplimente zu machen und mein Bein zu berühren und sagte immer wieder: » U sa che ti sta facennu bbona? Weißt du, daß aus dir ein schönes Mädchen wird?«
Ich schob seine Hand nicht weg und wurde rot. Wir kamen zu Hause an, und er fragte mich, ob wir uns am nächsten Tag Wiedersehen könnten, aber ich wußte nicht einmal, ob ich noch am Leben sein würde, am nächsten Tag! Natürlich antwortete ich mit Ja. Er versuchte mich zu küssen, und ich stieg sofort aus.
Mein Vater wartete auf dem Balkon auf mich und schaute auf das Auto. Als ich die drei Stufen hinaufging, zitterte ich, aber mein Vater hatte Nicola nicht sehen können. Er hatte nur das Auto gesehen und wartete auf mich, um mich mit seinen forschenden Augen zu mustern. Wie üblich stellte er keine Fragen; ich fühlte mich beobachtet und schmutzig. Dann löschte er das Licht, und ich ging ins Bett.
Tags darauf in der Klasse schauten mich alle meine Klassenkameradinnen zweideutig, aber respektvoll an. In der großen Pause überhäuften sie mich mit Fragen: » Cchi facistuvu? Ti vasà? Ti tuccà? Unni? Unni? Was habt ihr gemacht? Hat er dich geküßt? Hat er dich angefaßt? Wo? Wo?« Und diesmal war ich die Heldin, die sich wand, so gut es ging, um keine zu benachteiligen, wobei ich aber immer noch einen Hauch Geheimnis bestehenließ. Dann kam Angelina dazu und sagte mir, Nicola habe mit ihr gesprochen und ihr von der Verabredung erzählt. Auch Angelina hatte an diesem Nachmittag eine Verabredung, mit Enzo, der nicht der Junge war, mit dem ich sie auf der Couch gesehen hatte.
Wir beschlossen, die Ausrede mit der Materialsammlung für die Schule zu wiederholen und alle miteinander auszugehen.
Mein Vater ließ sich auch diesmal überreden, und um 16.30 Uhr gingen wir weg. Ich hatte keine Zeit, mich bei Angelina zu Hause umzuziehen, weil wir die Verabredung um 17 Uhr an der Kleinen Villa hatten. Das heißt aber nicht, daß wir pünktlich kamen, wir blieben nämlich eine Viertelstunde hinter der Kleinen Villa stehen, »um uns rar zu machen«, wie Angelina sich ausdrückte.
Endlich trafen wir sie und setzten uns alle auf eine Bank. Enzo begrüßte Angelina und berührte dazu ihren Busen, und Nicola wollte das gleiche tun. Angelina ließ es geschehen. Ich ließ es geschehen. Enzo küßte sie, sie küßten sich. Nicola küßte mich, wir küßten uns.
Nicola war ein Junge, und das genügte mir. Er hätte Giuseppe, Giovanni oder Angelo sein können, das hätte auch nichts geändert ... Ich hätte ihn genauso geküßt, mich von ihm genauso berühren lassen und
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