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Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Mertens
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ich fragte Frau Schulz, ob das nicht irgendwie mal ginge.
    Sie schaute in ihren Terminkalender und stellte fest, daß sie am kommenden Sonntag Zeit hatte und mich nach Engen zu meinen Geschwistern fahren könnte. Sie meldete uns in Engen an und wir fuhren an dem Sonntag zu meinen Geschwistern.
    Das Heim, in dem meine Geschwister untergebracht waren, war nicht so groß wie das Kinderdorf. Dort war alles in zwei mehrstöckigen Häusern untergebracht, und außenrum war eine Mauer von ungefähr anderthalb Meter Höhe. Es gab sogar einen Spielplatz, mit Sandkasten, Rutschbahn und allem, was man so auf einem Spielplatz für Kinder braucht.
    Frau Schulz und ich gingen in das Haus und im Hausgang begegnete ich schon Ralf. Er freute sich riesig und führte uns gleich in den zweiten Stock, wo auch Daniela und Uwe waren.
    Ich sagte auch Uwe guten Tag und seine Freude war genauso groß. Als Daniela mich sah, nahm sie Anlauf und sprang mir in die Arme. Ich wäre fast umgeflogen, so einen Sprung hatte sie gemacht, und dann hing sie mir am Hals und klammerte sich an mich. Als Daniela sich dann beruhigt hatte, nahm ich sie an der Hand und begrüßte die Erzieherin. Im Gegensatz zu meinen Erziehern waren diese alle in Schwarz gekleidet und sahen aus wie Nonnen. Es waren auch Nonnen, stellte ich später fest, denn das Heim hatte dieser Schwesternorden gegründet und es waren auch gleichzeitig die Erzieher. Die Schwestern waren sehr freundlich und Frau Schulz sprach hinterher eine ganze Weile mit ihnen. Ich beschäftigte mich mit meinen Geschwistern, und sie zeigten mir ihre Zimmer und erzählten mir vom Heim. Sie fühlten sich wohl, und das war ja das wichtigste, und ich freute mich darüber. Dann tranken wir alle miteinander Kaffee und aßen Kuchen. Es waren ungefähr zwölf Kinder auf diesem Stockwerk, und sie saßen alle um den Tisch. Dann noch die Schwester, Frau Schulz und ich. Wir unterhielten uns prächtig, und da Daniela neben mir saß, sprach ich viel mit ihr.
    Gegen Abend verabschiedeten wir uns. Ralf und Uwe nahmen es nicht so schwer, aber Daniela weinte so jämmerlich, daß ich sie am liebsten mitgenommen hätte.
    Auf der Fahrt nach Tuttlingen fing ich auch leise an zu schluchzen. Frau Schulz merkte es zwar, aber sie sagte nichts, wofür ich ihr auch dankbar war. Fast zwei Tage hatte ich meinen Moralischen danach, bis ich wieder auf der Höhe war.
    Pappa kam mich nun öfters besuchen, aber ich sagte ihm nicht, daß ich klaute wie ein Rabe.
    Eines Tages erwischten sie mich dann beim Zigaretten-klauen. Zwei Schachteln hatte ich mir eingesteckt und als ich dann aus der Tür wollte, hielt mich jemand an der Schulter und sagte: »Na, na, mein Früchtchen, so geht das nicht. Was hast du denn da in den Taschen?« »Nichts«, gab ich kurz und bündig zur Antwort. Der Mann griff in meine Tasche und holte die zwei Schachteln Zigaretten heraus. Meine Freunde standen draußen und sahen die Scheiße und rannten weg, das war ja so ausgemacht, wenn sie einen von uns erwischen sollten. Der Typ redete nicht mehr lange und zog mich ins Büro. Dort rief er die Polizei an, die auch schneller da war als ich glaubte, denn sie war genau schräg gegenüber. Der Polizist brachte mich dann aufs Revier. Dort schrieb er ein Protokoll und ich unterschrieb es. Nach fast zwei Stunden fuhr ich in einem Polizeiwagen in Richtung Kinderdorf. In der Gruppe wurde dann erzählt, was ich angestellt hatte, und die Polizei verzog sich wieder. Ich wunderte mich, daß ich nicht ins Gefängnis kam, aber anscheinend schien alles seine Richtigkeit zu haben.
     
    Die Erzieher verloren kein Wort darüber, sondern sagten nur, daß ich den Mist nun auch ausbaden müßte.
    Das war mir ja egal, nur wie brachte ich das Pappa bei, der was gegen Klauen hatte. Ich rief ihn an und sagte ihm klipp und klar, was passiert ist. Er regte sich nicht auf, sondern sagte nur dasselbe wie die Erzieher, daß ich die Sache eben ausbaden müßte. Ich war froh, daß er es wußte, und nun war die Sache halb so schlimm für mich.
    Eines Abends stritt ich mich dann mit Michael so extrem, daß Frau Runke meinte, ich müßte in eine andere Gruppe, ein paar Tage später wurde ich verlegt. Diesmal war es eine Lehrlings-gruppe mit drei Erziehern, und darunter war ein Praktikant. Ich war der zweitjüngste. Die Gruppe bestand nur aus Jungen.
    Außer mir und Uwe gingen alle nicht mehr zur Schule, sondern waren schon in der Lehre. Nun mußte ich nicht mehr so früh ins Bett, brauchte nicht mehr beten vor

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