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Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Mertens
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Filmen hatte ich gesehen, daß Heimkinder Uniformen anhatten. Als wir zurückfuhren nach Orsingen fragte mich Herr Zander vom Jugendamt, wie nun meine Entscheidung wäre. Ich gab ihm zur Antwort: »Mir ist es egal, versuchen kann man es ja mal.« Mir war es wirklich egal und ich nahm mir vor, sowieso von dort fortzulaufen, wenn es mir nicht gefiel.
    Den darauffolgenden Tag kam dann Herr Zander wieder, um mich und meine paar Habseligkeiten in das Heim zu fahren.
    Kleider hatte ich nicht mehr besonders gute, die waren zum größten Teil kaputt und nicht geflickt worden. An Geld hatte ich auch nur knapp vierzig Mark, denn ich hatte ja in letzter Zeit fast nichts gearbeitet und so hatte ich auch keine Gelegenheit, mir aus der Kasse Geld zu besorgen.
    Ich kam also dort an und wurde in eine Gruppe eingewiesen.
    Es war ein richtiges Dorf, ein Kinderdorf. Es waren eine Menge Häuser, eine Schule, eine Verwaltung, ein Schwimm-bad und sogar ein Fußballplatz. Jede Gruppe, die aus ungefähr acht bis neun Kindern und zwei, manchmal auch drei Erziehern bestand, hatte ein eigenes Haus mit Küche und allem Drum und Dran. Ich selbst kam in eine Gruppe, die aufgeteilt war von acht bis achtzehn Jahren. Ich war schon fünfzehn und der drittälteste in der Gruppe. Die älteste war ein Mädchen und sie hieß Leila, der Zweitälteste war Thomas. Dann waren da noch ein Junge, der ungefähr ein Jahr jünger war als ich, der Michael hieß, und noch ein anderer, der gerade dreizehn war und der Kai hieß. Dann waren noch drei Kinder da, die unter zehn Jahren waren, aber mit denen hatte ich nicht viel zu tun. Ich bekam ein eigenes Zimmer, so wie Thomas und Leila es hatten.
    Leila war ein Mädchen mit pechschwarzen Haaren und sah wirklich nicht schlecht aus. Thomas hingegen sah aus wie ein Hippie. Er hatte lange blonde Haare und dementsprechend zog er sich auch an. Er machte auf intellektuell und Hippie zugleich, und das war schon irgendwie lächerlich.
    Ich wurde mit allen bekanntgemacht, auch mit den Erziehern.
    Frau Runke und Frau Schulz waren zwei ältere Damen, die schon Jahre dem Kinderdorf treu waren. Dagegen war Angelika, die Praktikantin, aber für uns trotzdem eine Erzieherin war, ein junges Mädchen und jeder sprach sie mit ihrem Vornamen an. Sie war hübsch, was man von Frau Runke und Frau Schulz nicht behaupten konnte. In der Schillerschule in Tuttlingen wurde ich wieder eingeschult, denn die Kinderdorfschule war nur für die da, die Lernschwierigkeiten hatten und nach Ansicht von Frau Runke und Frau Schulz hatte ich das nicht.
    Von Thomas und Leila wurde ich freundlich aufgenommen und wir wurden gleich gute Freunde. Dagegen hatte ich schon in den ersten paar Tagen Streit mit Michael und Kai, da die dachten, ich sei ein Idiot, und sie müßten mir Befehle erteilen.
    Mit den Kleinen hatte ich nicht viel zu tun, denn die waren für mich uninteressant und das Gegenteil von meinen Brüdern. Sie waren total naiv und dementsprechend verhielten sie sich auch.
     
    In der ersten Woche wurde ich auch noch neu eingekleidet, da man feststellte, daß die ganzen Kleider, die ich hatte, es nicht mehr lange tun würden.
    Abends, wenn ich im Bett lag, dachte ich oft an meine Geschwister und an das Vergangene und dann hatte ich immer Lust, mir geradewegs einen Rausch anzusaufen. Über Mutti und Pappa dachte ich auch nach, und da sie sich nicht um uns gekümmert hatten, beschloß ich, daß ich von beiden nichts mehr wissen wollte. Sie hatten uns behandelt wie Dreck und zum Schluß auch dementsprechend weggeworfen. Und deswegen hatte ich jede Zuneigung zu ihnen in mir abgetötet und erstickt in dem Haß, der in mir aufstieg gegen sie. Mir gefiel es nun im Kinderdorf nicht schlecht, nur die Gruppe, in der ich war, fand ich Scheiße, denn das Beten und das vorgeschriebene Fernsehschauen sowie das genau festgelegte Zu-Bett-Gehen und noch ein paar Sachen gingen mir gewaltig auf den Wecker. Dagegen konnte ich aber nichts machen. Dann gab es auch nur fünf Mark Taschengeld die Woche und das war natürlich zu wenig, da ich rauchte und mir eine Schachtel Zigaretten pro Woche viel zu wenig war. Mit Kai und Michael stritt ich immer, wenn nur die kleinste Gelegenheit dazu da war, aber geschlagen haben wir uns nie, nur immer Schimpfwörter an den Kopf geworfen, aber das langte auch, denn mein Schimpfwörterverzeichnis war ja riesig groß.
    In der Schule hatte ich auch schon Freundschaften geknüpft.
    Es waren gerade die Jungen, die die Leute immer als schlechte

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