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Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Mertens
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Gesellschaft bezeichneten. Für mich waren es Kumpel, und ich war froh, daß ich sie kannte, denn die aus der anständigen Gesellschaft waren ja zu fein, um mit Heimkindern Freundschaft zu schließen, da sie das von ihren Eltern so gelernt haben. Für die waren Heimkinder schon Verbrecher und wir könnten sie ja verderben. Also war mir die schlechte Gesellschaft gerade recht. Meine Freunde, mit denen ich rumzog, rauchten ebenfalls alle, und waren aus dem Asozialenviertel von Tuttlingen. Das Asozialenviertel in Tuttlingen wurde auch Kleintexas genannt, und so sprach ich nicht mehr vom Asozialenviertel, sondern nannte es ebenfalls nur noch Kleintexas. Da ich kein Geld mehr hatte für Zigaretten, brachte mich einer von meinen Freunden auf die Idee, welche zu klauen. Die Sache war mir zwar nicht ganz geheuer, und ich hatte Angst man würde mich erwischen. Aber als mich dann einer meiner Kumpel fragte, ob ich feige sei, machte ich es dann doch. Die ganze Sache war gut verlaufen, und man hatte mich nicht erwischt. So kam es öfters vor, daß wir Zigaretten-klauen gegangen sind, und nicht nur eine Schachtel, sondern sogar ab und zu eine ganze Stange. Angst hatte ich nur bei den ersten paar Malen, aber das verflog, und die Klauerei war nur noch Routine. Manchmal klauten wir auch andere Sachen, wie Alkohol, Feuerzeuge und einmal sogar fünf teure Taschen-rechner.
    Mein Taschengeld gab ich nun nicht mehr für Zigaretten aus, ich konnte sie mir ja klauen. Mit meinen Freunden kam ich gut aus, und wir waren eine regelrechte Clique, wie man das nennt.
    Nun war ich schon eine ganze Weile im Kinderdorf, als sich eines Tages mein Vater zu Besuch anmeldete. Ich hatte irgendwie Angst davor und war entschlossen, ihm zu sagen, unter vier Augen natürlich, daß ich von ihm und Mutti nichts mehr wissen wolle, und daß man mich in Ruhe lassen solle.
    Er hatte sich auf den Samstag angemeldet und ich hatte mir genau zurechtgelegt, was ich sagen würde. Trotzdem war ich nervös, und das sah man mir auch an.
    Am Samstagnachmittag kam dann Pappa vors Haus gefahren.
    Den weißen Mercedes hatte er nicht mehr, sondern jetzt einen blauen Simca, der an allen Ecken auseinanderzufallen schien.
    Er kam in die Gruppe und begrüßte mich und meine Erzieher.
     
    Dann sprach er noch eine Weile mit Frau Runke und Frau Schulz und er schien einen guten Eindruck auf sie zu machen.
    Pappa hatte einen guten Anzug an und benahm sich auch. Er war weder besoffen noch sonst irgendwie auffallend.
    Er fragte die Erzieher, ob er mich für zwei bis drei Stunden mitnehmen dürfte. Auf einmal klingelte es an der Türe, und als ich hinsah, stand Oma da. Ich öffnete ihr und begrüßte sie. Sie sagte den Erziehern und den anderen Kindern guten Tag. Dann sprach sie ebenfalls eine Weile mit den Erziehern und gab jedem in der Gruppe eine Tafel Schokolade. Dann gingen wir zu Pappas Auto. Wir fuhren in die Stadt, und ich empfahl Pappa ein Café, in das wir gehen konnten. Im Café setzten wir uns an einen Tisch und gaben die Bestellung auf. Ich selbst bestellte ein Bier, genauso wie Pappa, nur Oma trank eine Limonade.
    Pappa fing an zu sprechen und erzählte mir, daß es ihm leid tut, was alles passiert ist, und daß er auch nichts machen konnte und weiß Gott was alles noch.
    Ich sagte ihm knallhart ins Gesicht, daß er umsonst gekommen sei, und daß ich weder ihn noch Mutti brauchte, und daß es das letzte Mal sei, daß er mich besucht hätte, denn ich wolle ihn nicht mehr sehen. Oma mischte sich ein und meinte, daß ich nicht nur Pappa die Schuld geben könnte, daß er immerhin mein Vater sei, und daß ich nicht so hart sein sollte.
    Als ich nach dem Gespräch zu Pappa schaute, sah ich die Tränen in seinen Augen und mir schien, als sei er in der letzten halben Stunde um ein paar Jahre gealtert. Er tat mir leid, und ich sagte ihm dann, er dürfte mich wieder besuchen. Er freute sich wie ein kleines Kind, und ich wußte, daß er mich doch irgendwie auf seine Weise lieb hatte.
    Als es zu dämmern anfing, brachte er mich zurück ins Kinderdorf. Beim Abschied hatte er wieder Tränen in den Augen und ich dachte mir: er ist wie ein kleines Kind, aber trotzdem erwachsen. Er versprach, daß er in zwei Wochen wiederkommen würde, und ich wußte, daß er es ernst meinte und kommen würde. Abends lag ich dann im Bett und dachte an Pappa. Irgendwie freute ich mich nun, daß er doch an mich gedacht hatte und mich besucht hatte.
    Den Sonntag darauf wollte ich meine Geschwister besuchen, und

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