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Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Mertens
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ihm sogar meine Briefmarkensammlung, und bei der nächsten Visite zog er einen Briefumschlag heraus und legte ihn mir auf den Nachttisch. Als ich hineinschaute, waren eine ganze Menge Briefmarken darin für meine Sammlung. Ich bedankte mich bei ihm und ich stellte fest, daß der Arzt gar nicht so schlimm war, wie ich bei den ersten Visiten gedacht hatte. Als Günter und ich die Briefmarken dann am Mittag in das Album steckten, stellten wir fest, daß der Arzt sie genau ausgesucht hatte, denn fast jede, dich ich einsetzte, paßte zu irgendeinem Satz. Als wir fertig waren stellten wir fest, daß jetzt fast alle Sätze vollständig waren bis auf meine Auslandsätze. Aber meine Briefmarkensätze von der Bundesrepublik Deutschland waren fast alle vollständig.
    Bei der nächsten Visite zeigte ich dem Arzt die Sammlung wieder und fragte ihn: »Haben Sie die Marken alle doppelt gehabt, die Sie mir das letztemal mitgebracht haben?«
    »Ja, ich habe eine ziemlich große Sammlung beieinander und da sind auch eine ganze Menge Doppelte dabei.«
     
    Er schaute meine Sammlung wieder ganz an und sagte, daß er mir, wenn er wieder mal in seiner Sammlung aufräume, seine Doppelten bringt.
    So kam es denn öfters vor, daß er mir Briefmarken mitbrachte und meine Sammlung wurde immer größer, so daß meine zwei Briefmarkenalben nicht mehr ausreichten. Mit dem Arzt kam ich immer gut aus und bald sprachen wir jedesmal, wenn er da war, von Briefmarken anstatt von meiner Krankheit.
    Die Zeit verging schnell im Krankenhaus, und Mutti und Pappa kamen alle fünf bis sechs Wochen einmal zu Besuch.
    Die Besuche waren zwar nicht so, wie man sie sich vorstellt, aber immerhin hatte ich dann Gelegenheit, mal meine Schwester oder Brüder zu sehen.
    So zum Beispiel ist mal ein Besuch abgelaufen. Mutti, Pappa und mein kleines Schwesterchen Daniela, die schon ein wenig mehr als nur auf allen Vieren krabbelt, kamen mich besuchen.
    Mutti und Pappa standen an meiner Seite am Bett und Daniela krabbelte auf meinem Bauch herum. Ich sprach ungefähr fünf Minuten mit Mutti und Pappa, als sie auf einmal anfingen sich im gedämpften Ton, damit es nicht jeder hören konnte, zu streiten. Da ich mich da nicht einmischen wollte oder nicht konnte, stritten sie die ganze Besuchszeit über miteinander.
    Mich interessierte es nicht, über was sie miteinander stritten, aber ich hörte ab und zu ein paar unanständige Worte heraus, so wie zum Beispiel Miststück, Arschloch, Hurenbock und noch ein paar andere, die ich jetzt aber nicht aufzählen möchte.
    Während der ganzen Besuchszeit spielte ich mit Daniela, die auch jedesmal aufquietschte, wenn ich ihr mit dem Finger leicht in das Bäuchlein stupfte. Die ganze Zeit, die ich mich mit Daniela unterhielt, stand auch Günter bei mir und Daniela fand ihn ganz amüsant und kniff ihn auch ab und zu in die Nase. Als der Besuch aufgefordert wurde, sich zu verabschieden, entsannen sich Mutti und Pappa, daß sie ja zu Besuch hier waren. Sie verabschiedeten sich und fuhren weg.
    Daniela fing zwar an zu weinen, als sie von meinem Bauch runtermußte, aber was nicht zu vermeiden ist, muß eben gemacht werden.
    Am Abend sagte Günter zu mir: »Deine Eltern sind aber komisch. Kommen im Monat allerhöchstens einmal und dann streiten sie sich, das verstehe ich noch nicht ganz. Und hast du die Ausdrücke gehört, die sie sich gegenseitig an den Kopf geschmissen haben?«
    »Ja, einen Teil davon habe ich mitbekommen, waren ganz schön harte Brocken.«
    »Aber dein Schwesterchen ist ein süßer Fratz, genau so, wie du mir erzählt hast.«
    »Ja, ich hab mich auch sehr gefreut, sie mal wiederzusehen.«
    »Die Welt ist schon eine komische Gesellschaft, so wie deine Eltern zum Beispiel.«
    »Ja meine Eltern sind schon ein wenig komisch, aber vielleicht sind alle Erwachsenen, die Kinder haben, so komisch.«
    So liefen die Besuche meistens ab, und ich beschäftigte mich nur ganz selten mit meinen Eltern, immer nur mit dem dritten, der dabei war.
    Günter und ich sprachen noch eine Weile miteinander und dann schliefen wir auch ein. Am nächsten Morgen war der Besuch vergessen, und die Tage verliefen weiter wie bisher.
    Dann kam der Winter und mit dem Winter kam auch Weihnachten. Pappa versuchte mit dem Arzt zu sprechen, daß ich über Weihnachten drei Tage nach Hause durfte, um dort mit meinen Geschwistern zu feiern. Der Arzt erlaubte es, und Pappa holte mich auch am Morgen des Heiligen Abend ab. Als ich mich von Günter für die drei Tage

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