Ich wollte Liebe und lernte hassen
ich Gipsschale hörte, dachte ich, daß sie mich schon wieder eingipsen wollen bis zum Bauch, und entgegnete dem Arzt: »Nein, eingipsen laß ich mich nicht mehr, ich war jetzt lang genug im Gips gelegen und es hat gar nichts geholfen, nur über meine Leiche laß ich mich eingipsen.«
»Nein, wir wollen dir nur ein Gipsbett machen, so daß du dich dort reinlegen kannst, und dann wird es mit ein paar Schnallen versehen, die dich darin festhalten. Du kannst also jederzeit aus dem Gipsbett raus, wenn du die Schnallen losmachst. Es ist kein geschlossener Gips.«
Ich war beruhigt und damit einverstanden. Der Arzt verabschiedete sich und ging dann aus dem Zimmer, da ich der letzte war in dem Raum, bei dem er noch nicht war.
Günter und ich waren gute Freunde geworden und das schon nach einem Tag. Er erzählte mir, daß es hier ein Schwimmbecken gibt und sogar eine Schule im zweiten Stock oben. Mit den anderen hatte ich noch keinen Kontakt, was mich auch nicht besonders interessierte, vorläufig auf jeden Fall.
Man röntgte mich und ich bekam auch eine Gipsschale, so wie es der Arzt angeordnet hatte, und über ein komisches Gestell an der unteren Seite des Bettes hingen Gewichte, die mit einem Lederband an meinen Fußfesseln festgemacht waren und so immer meine Füße gestreckt hielten.
Wenn ich auf die Toilette mußte, stand ein Rollstuhl bereit, und auf mein rechtes Bein durfte ich ja stehen und so konnte ich alles allein erledigen. Dreimal am Tag wurde ich für eine Stunde von den Gewichten befreit, um das linke Bein, das noch steif war vom Gips, ein bißchen zu beugen und ein paar Übungen damit zu machen, damit ich es wieder richtig anwinkeln konnte. Später durfte ich, als ich mein Bein wieder bewegen konnte, sogar einmal in der Woche ins Schwimmbecken, das sich im Keller befand. Dort lernte ich schwimmen und nach einer Weile bewegte ich mich im Wasser wie ein Fisch, was ich heute noch nicht verlernt habe. Das Wasser wurde damals zu meinem Element.
Ich hatte mich gut eingelebt und nun auch Kontakt zu den anderen im ganzen Stockwerk, da ich am Mittag, oder besser gesagt wenn ich den Rollstuhl hatte, im ganzen Stockwerk rumgekurvt bin.
Des Morgens hatten wir Schule im zweiten Stock, bei einer sehr gut aussehenden Lehrerin, die auch sehr nett war. Die Schule machte mir keine Schwierigkeiten, und so ging ich dann auch gerne zur Schule, da ich aus dem Bett rauskam und so nur noch am Abend und über die Nacht an den Gewichten hing.
Günter und ich waren unzertrennliche Freunde, und so legte man uns auch nicht auseinander.
Als ich eines Abends im Bett lag und mal wieder mit Günter quasselte, kam die Krankenschwester herein mit dem Rollstuhl und sagte zu mir, daß ein Telefongespräch für mich im Büro sei. Ich löste mich aus der Gipsschale und schnallte die Gewichte ab und war in nullkommanichts im Büro, da der Rollstuhl eine ganz nette Geschwindigkeit draufbekam, wenn man damit umgehen konnte.
Ich nahm den Hörer in die Hand, und vom anderen Ende der Strippe vernahm ich Muttis Stimme. Sie hatte mich nicht einmal besucht, seitdem ich hier war, nur Pappa kam in den ganzen Monaten, die ich nun hier war, drei-oder viermal vorbei. Er brachte mir ein paar Socken mit, die ich von ihm verlangte, und auch meine Briefmarkensammlung, die ich angefangen hatte, seitdem ich krank war.
»Hallo Mutti«, rief ich ins Telefon, »wie geht es dir denn?«
»Ach mir gehts gut, ich hab jetzt eine Arbeit in der Sparkasse als Putzfrau und da kann ich dann mit dir telefonieren. Da kostet mich das nichts, weil ich den Chef hier vom Büro kenne.
Wie geht es dir so mein Kleiner?«
»Ach soweit ganz gut, ich habe hier viele Freunde, gehe zur Schule und einmal die Woche schwimmen und gegen Abend schau ich dann Fernsehen.«
»Du, jetzt kann ich dich auch mal besuchen kommen, da ich sonntags frei habe und Pappa auch, dann kommen wir zu dir runter und bringen vielleicht noch jemand von der Verwandtschaft mit. Wie findest du das?«
»Das finde ich gut. Wann kommt ihr denn vorbei?«
»Vielleicht übernächsten Sonntag, und übermorgen ruf ich dann wieder an.«
Wir sprachen noch ein paar Minuten und beendeten dann das Gespräch. Ich ging zurück und legte mich wieder ins Bett, schnallte mich wieder in der Gipsschale fest und befestigte die Gewichte an den Fußfesseln. Dann erzählte ich Günter meine Neuigkeit, und er war ganz begeistert. Günter hatte nie Besuch, da seine Eltern schon tot waren, und seine Pflegemutter sich nicht
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