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Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Mertens
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ergab dasselbe, ich mußte den Gehapparat weiter tragen. Mir machte das Laufen keine Schwierigkeiten und bereitete mir auch keine Schmerzen. Ab und zu beschimpfte mich einer aus der Schule, ich sei ein Krüppel und täte auch immer einer bleiben. Da ich mich nicht wehren konnte, drehte ich mich um und fraß jedesmal meine Wut in mich hinein. Ab und zu weinte ich auch, aber das half nichts und so zog ich mich in mich selber zurück und es gab fast keinen Tag an dem ich mal richtig fröhlich war. Mit Mutti und Pappa konnte ich ja darüber nicht sprechen, weil sie mir ja sowieso nicht zuhörten und wenn ich ihnen mal was sagen wollte, bekam ich nur immer dieselbe Antwort: »Laß mich in Ruhe, ich habe genug andere Sorgen.« So ging jedesmal das Gespräch aus, das ich mit Mutti oder Pappa anfing. Eines Tages beschimpfte mich wieder mal jemand, worauf ich mich nicht mehr beherrschte, zu einem Stein griff und ihn ihm nachschleuderte. Der Stein traf sogar einwandfrei ins Kreuz, weil er versuchte sich wegzudrehen. Darauf ging ich nach Hause und kümmerte mich gar nicht mehr um den Betroffenen.
    Die Eltern des Jungen beschwerten sich bei der Lehrerin, und diese wiederum beschwerte sich bei meinen Eltern, und natürlich war ich der Schuldige. Man sagte, ich hätte grundlos den armen Jungen mit Steinen beworfen und ihm damit sogar einen blauen Fleck im Rücken verpaßt.
    Mutti und Pappa kamen auf mich zu und fragten mich erst gar nicht, was da los war. Am Nachmittag bekam ich von Mutti eine Abreibung und am Abend von Pappa. Jeder Versuch, ihnen die Lage zu erklären war fehlgeschlagen, denn sie hörten mir gar nicht zu und droschen mit dem Gürtel auf mein Hinterteil ein. Da ich laut genug schrie, hörten sie auch nach ein paar kräftigen Schlägen wieder auf, denn je lauter man schreit desto weniger Schläge bekommt man. Das sollte mir nun eine Lehre sein, nicht mehr mit Steinen zu werfen.
    Ich verfluchte nach der Abreibung die ganzen Schulkameraden sowie meine Eltern. Nachdem ich dann zwei Tage die beleidigte Leberwurst gespielt hatte und eine Visage hinzog, als wenn ich ein Glas saure Gurken verschluckt hätte, drohte mir Mutti und Pappa mit noch einer Abreibung, wenn ich jetzt nicht bald aufhöre, beleidigt zu sein.
    Diese Drohung hatte gereicht und ich gab das Beleidigtsein auf. Aber ich dachte trotzdem noch an die Schläge, denn sie hatten bei mir einige Striemen hinterlassen, und ich fand und war davon überzeugt, daß ich die Schläge ungerecht bekommen hatte.
     
    Ich versuchte meine Eltern zwar nicht mehr davon zu überzeugen oder es ihnen zu sagen was da los war, aber vergessen konnte ich die Abreibung nicht und so ließ ich mich auch von den anderen Schulkameraden weiter beschimpfen, und dachte nur immer daran, wenn ich mich wehre, bekomme ich eine Abreibung.
    Das Schuljahr ging langsam zu Ende und es gab die lieben netten Zeugnisse.
    Da die Schule im Hospital nicht dasselbe war wie die Schule draußen, sah mein Zeugnis auch dementsprechend aus. Es war wortwörtlich miserabel. Als ich das Zeugnis ausgehändigt bekam, mit der Aufforderung es am nächsten Tag unterschrieben wieder mitzubringen, beschlich mich schon so ein ungutes Gefühl. Nachdem ich das Zeugnis durchgeschaut hatte, wußte ich auch warum ich das ungute Gefühl hatte. So miserabel war wie gesagt das Zeugnis.
    Die letzten Schulstunden bekam ich schon gar nicht mehr richtig mit, denn ich wußte, daß wenn ich mit dem Zeugnis nach Hause komme, gibt es einen ganzen Arsch voll Ärger.
    Endlich läutete die Schulglocke und ich war froh, daß die Schule aus war. Als ich dann auf dem Schulhof stand, schlug meine Meinung wieder um, und ich wäre jetzt froh gewesen, wenn die Schule überhaupt nicht zu Ende gehen würde. Ich saß dann noch eine Weile auf dem Schulhof und überlegte, was ich nun machen soll. Wenn ich jetzt nach Hause gehe und das Zeugnis vorlege, dann kann ich auch gleich den Hosengürtel von Pappa dazulegen und warten, bis ich meine Abreibung kassiere.
    Also beschloß ich, nicht nach Hause zu gehen, sondern in die Stadt.
    Auf dem Weg in die Stadt kam mir dann wieder ein Gedanke. Wenn ich später nach Hause komme, gibt es auch Ärger und wenn ich dann noch das Zeugnis dazu lege, kann ich bestimmt vierzehn Tage nicht mehr auf meinem Arsch sitzen.
    Also beschloß ich, doch nach Hause zu gehen und das Zeugnis vorläufig zu verschweigen und gar nichts zu sagen. In der Schule konnte ich ja sagen, daß ich vergessen hätte das Zeugnis unterschreiben zu

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