Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Mertens
Vom Netzwerk:
ging. Sie sagte es zwar nicht, aber ihre Bemerkungen sagten alles. Meistens nannte sie mich dann Pappas Liebling, und ich wäre jetzt nicht besser als Pappa und so weiter. Mit dem Rest von der Verwandtschaft hatten sich Mutti und Pappa auch anscheinend verkracht. Denn wir durften nicht mehr zu Oma und wenn sie uns grüßen sollte, mußten wir so tun, als wenn wir sie gar nicht sehen täten. Da wir ja immer an Omas Wohnung vorbei mußten, wenn wir zur Schule gingen, begegneten wir auch Oma oft. Dann machten wir immer so, als wenn wir sie nicht sehen täten. Wenn wir es nämlich nicht so gemacht hätten, hätten wir uns bestimmt eine Tracht Prügel mit der Reitgerte abholen können, da es Mutti uns ja andiktiert hatte. Und so eine Tracht mit der Reitgerte, da war echt keiner scharf drauf, denn das tat verflucht weh.
    Das VFB-Heim lief immer beschissener, Pappa mußte fast sein ganzes Geld mit in den Laden stecken, damit die Unkosten bezahlt werden konnten. Die Pacht wurde immer nur mit Verzögerungen bezahlt und unsere Wohnungsmiete war mit einigen Monaten im Rückstand. Neue Kleider, die wir brauchten, konnten wir nicht kaufen, da das Geld sowieso nicht reichte, und was sonst so anfiel, ebenfalls nicht. Zu essen gab es meistens Eintopf, weil der am billigsten war und wenn man genug davon auf einmal kochte, reichte es auch drei Tage hintereinander. Da wir, also Uwe, Ralf und ich, nicht so gerne Eintopf aßen und meistens nur ein paar Löffel davon anrührten, reichte so ein Eintopf meistens auch fünf Tage. Mich schüttelt es heute sogar noch, wenn ich Eintopf sehe.
    Dann eines Tages, als ich zur Schule ging und frohen Mutes war, traf ich wieder einmal Oma. Ich tat natürlich, als wenn ich sie nicht sah und ging meinen Weg weiter. Ich hätte mich gerne mit ihr unterhalten, denn mir hatte sie ja nichts getan, und ich wußte auch nicht, was sie meinen Eltern getan haben soll. Aber eine Tracht Prügel wollte ich auch nicht gerade einstecken, deshalb ließ ich sie halt einfach stehen. Was sollte ich auch anderes tun?
    In der Schule lief alles gut, und in der Pause machten wir eine Schneeballschlacht. Ich kam gar nicht dazu, meine Orange zu essen, die ich als Pausenvesper von Mutti mitbekommen habe, obwohl ich die sauren Dinger sowieso nicht mochte. Auf dem Heimweg fiel mir meine Orange im Schulranzen ein und ich holte sie heraus. Ich wollte sie zwar nicht essen, so bot ich sie meinem Freund an, der neben mir herging. Der nahm sie und weil sie nicht ganz hundertprozentige Qualität war, warf er sie einfach in den Schnee. Ich holte die Orange aus dem Schnee und schaute sie mir an. Tatsächlich war sie auf der einen Seite schon ganz matschig, Und so nahm ich die Orange und grub sie einfach wieder in den Schnee ein.
    Dann ging ich wieder zu meinem Freund und plötzlich sah ich Mutti nicht weit entfernt von uns auf dem Weg stehen. Ich verabschiedete mich von meinem Freund und ging zu Mutti.
    Mutti fragte mich gleich: »Was hast du mit deiner Orange gemacht?« Ich wußte nicht, wie lange sie da schon stand, aber daß sie uns verboten hatte, Lebensmittel wegzuschmeißen. So sagte ich dann einfach: »Die hab ich in der Pause gegessen.«
    Mutti schien im ersten Augenblick mit der Antwort zufrieden zu sein. Dann ging sie auf die Stelle zu, wo ich die Orange vergraben hatte und ich trottelte ihr hinterher. Sie holte die Orange aus dem Schnee und fragte mich dann: »Und was ist das?« Ich wußte nicht, was ich ihr zur Antwort geben sollte und entschied mich, ihr die ganze Geschichte von vorne an zu erzählen. »Die hat mein Freund weggeworfen.« Ich kam nur bis dahin und dann klatschten die Ohrfeigen bei mir nur so im Gesicht. Meine Schulkameraden schauten alle zu. »Aha, anlügen tust du mich auch noch. Das ist doch deine Orange oder etwa nicht?« »Ja«, das war alles, was ich darauf antwortete. »Na warte, zu Hause kriegst du schon dein Fett, ich werde dir schon helfen.«
    Wir gingen nach Hause und ich wußte schon was mich dort erwartet. Zu Hause fing ich dann gleich an zu wimmern, und ich wollte Mutti erklären, wie das alles abgelaufen ist. Sie gab mir aber keine Chance, sondern holte gleich die Reitgerte, und ich mußte mich über den Stuhl legen.
    Mutti schlug einfach drauf ohne die Schläge zu zählen, so wie sie es sonst tat. Es tat abscheulich weh und ich schrie mir bald die Lunge aus dem Hals. Als sie dann endlich aufhörte, wußte ich nicht mehr, ob ich ein Männlein oder Weiblein war.
    Der Schmerz zog vom Arsch bis bald

Weitere Kostenlose Bücher