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Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Mertens
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rennen, als Mutti mich zurückrief und sagte: »Laß das, ich gehe hin und regle das schon.« Sie stand auf und dabei schwankte sie ganz beträchtlich. Mutti tat mir richtig leid und am liebsten hätte ich Pappa verhauen, damit er endlich aufhörte, mit Mutti zu streiten. Mutti ging zur Haustüre und öffnete sie. Die beiden Sanitäter standen da und fragten. »Sind wir hier bei Mertens?
    Wir hatten einen Anruf, daß hier ein Selbstmordversuch stattgefunden hat, von einem Jungen.« »Ja, Sie sind hier richtig, aber das war ein Fehlalarm von meinem Sohn, es ist nichts passiert.« »Naja, dann können wir ja wieder gehen. Also auf Wiedersehen.« »Auf Wiedersehen.«
    Ich dachte, mich trifft der Schlag, als ich das hörte. Mutti schloß die Tür und ging wieder ins Wohnzimmer. Vor dem Sofa knickten ihr dann die Beine zusammen und sie konnte sich gerade noch auf das Sofa setzen. Pappa sagte dann zu mir, ich solle Milch warm machen und sie dann herbringen. Ich ging in die Küche und setzte Milch auf, und als sie warm war, brachte ich sie ins Wohnzimmer. Mutti war schon halb weggetreten und lag jetzt auf dem Sofa. »Hol mir einen Eimer«, sagte Pappa. Als ich den Eimer gebracht hatte, fing Pappa an, Mutti die warme Milch einzuflößen. Er brauchte eine ganze Weile dazu, und als er ihr dann eine ganze Menge Milch eingeflößt hatte, hielt er ihr den Eimer hin und sagte zu ihr:
    »Versuch zu kotzen, du dumme Kuh, und wenn du nicht kannst, stecke ich dir den Finger ins Maul. Also los.« Mutti konnte nicht kotzen und so steckte Pappa ihr den Finger in den Hals, und kurz darauf fing sie an zu kotzen wie ein Reiher. Den Vorgang wiederholte Pappa einige Male, und ich mußte noch zweimal Milch warm machen. Die ganze Angelegenheit sah richtig ekelhaft aus, und ich hätte fast auch noch gekotzt. Dann lag Mutti ganz erschöpft auf dem Sofa. Ich leerte den Eimer aus und brachte ihn wieder ins Wohnzimmer zu Mutti, im Falle, wenn sie nochmal kotzen muß.
    Ich hatte immer noch Angst um Mutti und ich konnte mir nicht vorstellen, daß die Kotzerei gegen die Tabletten helfen sollte. Dann gab Pappa mir den Auftrag, ich soll die Lottozahlen aufschreiben. Pappa war noch immer ziemlich stark alkoholisiert und ich wunderte mich, wie man in solch einer Situation an Lottozahlen denken kann. Ich setzte mich vor das Fernsehen mit Papier und Bleistift und wartete auf die Lottozahlen. Ich schaute immer zu Mutti rüber, wie es ihr geht und ob sie noch atmet, ich war so nervös, als wenn ich einen Eimer voll Kaffee ausgesoffen hätte. Dann kamen die Lottozahlen, aber während die liefen, schaute ich öfters zu Mutti rüber, denn sie stöhnte jetzt ab und zu auf. Als dann die Lottozahlen rum waren und Pappa wieder ins Wohnzimmer kam, gab ich ihm die Zahlen. Pappa schaute sie an und sagte:
    »Da fehlt ja eine, das sind ja nur sechs Zahlen, das müssen aber sieben sein.« »Ich habe alle aufgeschrieben«, sagte ich. »Mann, bist du zu dämlich ein paar Zahlen aufzuschreiben, oder was ist das? Da fehlt eine, du kannst mir doch nicht weismachen, daß die heute nur sechs Zahlen gezogen haben.« Pappa schrie so laut, daß ich mich nicht mehr traute etwas zu sagen und ich wußte ja, wenn er was getrunken hat, ist er sehr aggressiv. Er schrie mir noch ein paar Ausdrücke an den Kopf, dann gab er mir eine Ohrfeige, daß bald der Schädel vom Hals flog. Ich fing gleich an zu weinen, aber Pappa sagte nur: »Wenn du jetzt noch anfängst zu heulen, dann kriegst du gleich noch eine.«
    Und ehe ich mich versehen hatte, hatte ich auch schon die zweite verpaßt gekriegt. Mir brannte die Wange wie Feuer, aber ich verbiß mir das Heulen und mir liefen nur noch die Tränen runter. Er schimpfte noch eine Weile auf mir rum, dann schickte er mich zu Bett und ich war froh darüber, daß der Abend endlich rum war.
    Am nächsten Morgen, als ich aufwachte, fiel mir gleich das ein, was gestern abend gewesen war, und mir graute schon vor dem Tag. Ich stand auf, wusch mich und ging dann in die Küche und machte das Frühstück. Dann weckte ich die anderen und bat sie alle, zum Frühstück zu kommen. Als wir am Tisch saßen, kam auch Pappa. Er stützte Mutti ab und setzte sie an ihren Platz am Tisch. Mutti sah fürchterlich aus. Sie saß da im Halbtraum und war nicht in der Lage alles zu registrieren. Man konnte meinen, daß sie jetzt gleich vom Stuhl fiel, da sie ja nicht einmal die Kraft hatte, richtig aufrecht zu sitzen. Pappa zwang Mutti dann etwas zu essen, da sie nur dasaß und

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