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Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Mertens
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unter die Hirnschale.
    Trotzdem sie aufgehört hatte zu schlagen, weinte ich immer noch und schrie: »Au, au, tut das weh.« Mutti sagte zwar etwas zu mir, aber ich bekam das gar nicht mit, da ich genug mit meinen Schmerzen zu tun hatte. Dafür hätte ich Mutti am liebsten erschlagen, so wie sie vor mir stand mit der Reitgerte in der Hand. Ich ging dann in mein Zimmer und heulte da noch eine Ewigkeit vor mich hin. Der Schmerz ließ zwar nach, aber mein Hintern tat immer noch gewaltig weh.
    Am nächsten Tag sprachen mich ein paar Schulkameraden an, was denn mit meiner Mutter los gewesen sei und warum sie mich denn geohrfeigt hatte? Ich gab dann immer nur dieselbe Antwort. Es war nichts und das andere war privat, das geht euch einen Scheißdreck an. Damit gaben sie sich dann zufrieden und sagten gar nichts mehr zu mir. Aber hintenrum redeten sie trotzdem darüber, denn fast jeder in der Klasse wußte von dem Vorfall. Mir war das auch so ziemlich scheißegal, das ganze Geschwätz von den anderen, ich hatte zu Hause noch genug Ärger und dann noch das Wochenende, wenn Mutti das alles Pappa erzählen würde, und dabei weiß sie ja gar nicht alles.
    Am Wochenende, als Pappa nach Hause kam und Mutti mit ihm gesprochen hatte, rief Pappa mich in das Wohnzimmer.
     
    Ich hatte einen Wahnsinnsbammel und wenn ich meinen Körper nicht so gut beherrscht hätte, hätte ich bestimmt in die Hosen geschissen.
    Pappa fragte mich nur, was da los gewesen ist mit der Orange und ich erzählte ihm die ganze Geschichte. Pappa hörte sich die Sache an und sagte nur: »Das ist ja alles halb so schlimm.
    Deine Abreibung hast du ja schon gekriegt, was zwar zuviel war, aber wir wollen die ganze Sache vergessen, o.k.?« »O.k., ist schon alles vergessen«, sagte ich und dabei kamen mir sogar die Tränen in den Augen, obwohl mir keiner etwas getan hatte, das wunderte mich selber. Ich war recht froh, daß Pappa mir nicht auch noch den Hintern versohlte, denn mein Hintern hatte immer noch eine Menge Striemen, und wenn man unvorsichtig war, tat es ab und zu auch noch ein bißchen weh. Naja, die Geschichte war dann schnell vergessen und keiner erwähnte sie noch, darüber war ich froh. Aber ich konnte sie jetzt noch nicht vergessen, denn so eine Reitgerte tut heute noch höllisch weh, wenn ich sie nur sehe.
    Dann kam Ralfs Geburtstag, und Ralf freute sich schon darauf, daß er ein schönes Geburtstagsgeschenk bekommen würde. Am Morgen, als wir aufstanden, war Ralf schon ganz aus dem Häuschen und faselte die ganze Zeit von Geschenken, die er sich wünschte. Das Frühstück hatte an diesem Tag Mutti gemacht und auf Ralfs Teller lag ein Briefumschlag.
    »Na, mach ihn auf, das ist dein Geburtstagsgeschenk«, sagte Mutti. Ralf öffnete den Briefumschlag und zog ein Papier heraus, auf dem ein Pfennig in die Mitte geklebt war. Darunter stand ganz sauber geschrieben:
    Für mehr hat es nicht gelangt,
    Du warst ja auch dieses Jahr nicht brav.
    Mutti Das war auch alles, was er geschenkt bekam. Ralf sah Mutti ganz erstaunt an und fing an zu schluchzen. Er weinte nicht richtig, es war mehr eine Art Trauer um den versauten Geburtstag. Ich konnte zwar mit Ralf fühlen, was er gerade durchmachte und dachte. Aber ich sagte lieber nichts. Mutti schien sich richtig zu freuen über ihr Geburtstagsgeschenk. Ich fand das eine große Schweinerei, lieber hätte sie ihm gar nichts geben sollen und auch gar nichts sagen, aber sie gratulierte ihm sogar noch ganz frech. Ralf hatte ihr zu ihrem Geburtstag soviel geschenkt und sogar seine Spardose, in der sowieso nicht viel drin war, geplündert. Dann hatte er noch ein paar Kleinigkeiten gebastelt gehabt, wobei er sich so viel Mühe gegeben hatte. Und sie hatte nur einen Monat vorher Geburtstag gehabt. Das war natürlich dann Ralfs beschissenster Geburtstag, den er je in seinem Leben erlebt hatte. Mutti war das egal, aber ich wußte, daß Ralf diesen Geburtstag niemals in seinem Leben vergessen wird, und es auch niemals vergessen kann, auch wenn er will.
    Unser Geschäft im VFB-Heim lief immer schlechter.
    Manchmal ergaben die Umsätze nicht einmal mehr die Pacht.
    Wir hatten nun das VFB-Heim schon ein ganzes Jahr. Pappa überredete dann Mutti, das VFB-Heim aufzugeben, da man ja Geld in das Geschäft reinstecken mußte, um es überhaupt aufrecht zu erhalten. Mutti gab das VFB-Heim tatsächlich auf, da sie einsah, daß es wirklich keinen Zweck hatte. Wir räumten alles aus, was wir in diesem Jahr ins VFB-Heim geschleppt hatten,

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