Ich wuenschte, ich koennte dich hassen
fuhr. Mit langen Beinen ranntest du neben dem Kamel her und warfst mir einen schnellen Blick zu. Du merktest, dass ich dich anschaute. Ich wollte dich fragen, wie lange wir schon unterwegs waren, aber mein Hals war zugeschwollen und meine Stimme funktionierte nicht.
»Nicht mehr weit«, sagtest du, außer Atem.
Ich sah die Wassertropfen an, die jetzt immer dichter fielen. Grinsend strecktest du im Rennen die Arme aus und wedeltest herum.
»Regen«, sagtest du. »Der Himmel weint wegen dir.«
Du schnalztest mit der Zunge und schlugst mit dem Stock gegen die Hinterbeine der Kamelstute, die nun schneller zu laufen begann. Dadurch rutschte ich auf meiner Trage noch stärker hin und her, was mich aufjaulen ließ. Es war der erste echte Schmerz, den ich spürte, seit du mir diese weichen Blätter zum Kauen gegeben hattest. Du hast es gemerkt und das Kamel wieder etwas langsamer laufen lassen. Ich neigte den Kopf, um zu sehen, wohin wir unterwegs waren. Wir waren nicht weit weg von einem Hügel mit Felsen und Bäumen. Der Regen wurde heftiger. Das Handtuch saugte sich an meinem Körper fest. Das Wasser floss in Strömen an dir herunter und färbte deine Haare dunkel. Du warfst sie zurück, wobei noch mehr Tropfen auf mich spritzten.
»Wir müssen anhalten, bis das hier vorbei ist«, keuchtest du.
Der Regen prasselte so heftig auf den Sand, dass es sich wie ein Klatschen anhörte oder wie leichte Trommelschläge. Ich versuchte mich auf dieses Geräusch zu konzentrieren und nicht auf die Schmerzen in meinem Bein, die wieder schlimmer wurden. Auch die Magenkrämpfe kehrten zurück. Aber wir schafften es bis zu den Bäumen. Schnell brachtest du das Kamel dazu, sich niederzulassen, und ludst die Ausrüstung ab. Du bautest eine Art Unterstand aus Planen, Seilen und Ästen. Dann hast du mich vorsichtig hingelegt und mich dort auf eine Decke gebettet. Du nahmst das nasse Handtuch weg, legtest stattdessen etwas Warmes und Trockenes über mich und gingst neben mir in die Knie.
»Du hast Fieber«, sagtest du.
Du zerrtest an den Planen, die du zwischen die Bäume gespannt hattest, um den Regen abzuhalten, der uns jetzt von der Seite erwischte. Du legtest noch eine Decke auf mich; ich spürte ihr Gewicht. Meine Lider waren trocken und schwer. Kurz bildete ich mir ein, Donner zu hören, ein tiefes Grollen vom Himmel her. Du bewegtest meinen Kopf so, dass er in deinem Schoß lag.
»Mach die Augen auf«, sagtest du. »Bleib bei mir.«
Ich versuchte es. Es kam mir vor, als müsste ich jeden einzelnen Muskel im Gesicht aktivieren, um die Lider auch nur ein bisschen zu öffnen. Aber ich tat es. Ich sah dich, du standst auf dem Kopf, deine Lippen waren über meinen Augen und deine Augen über meinen Lippen.
»Rede mit mir«, sagtest du.
Mein Hals war wie zugeschwollen; das Gewebe darin schien aufgedunsen zu sein; meine Kehle war ein undurchdringlicher Klumpen Fleisch. Ich packte deine Hand.
»Dann schau mich an«, sagtest du. »Und hör mir zu. Hör mir einfach nur zu.« Du warfst einen Blick hinter die Planen, checktest das Wetter, schautest zum Himmel. »Das ist kein richtiges Gewitter, nur die Ausläufer von einem, das näher an der Küste runtergeht. Wird hoffentlich nicht lange dauern, bis das Wetter weiterzieht.«
Ich runzelte die Stirn, denn ich hatte immer geglaubt, dass es in der Wüste nie regnet. Du hast mir vom Gesicht abgelesen, was ich dachte.
»Normalerweise tut’s das auch nicht«, nuscheltest du. »Nur wenn es sein muss.«
Deine Worte verwischten dein Gesicht. Deine Augen schwammen in einem runden, braunen Hauttümpel. Ich holte Luft, so gut es ging, und ein Regentropfen fiel mir in den Mund. Du schobst mir die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht.
»Ich erzähl dir eine Geschichte«, sagtest du. »Ich erzähl dir was über den Regen.« Du schüttetest mir etwas Wasser in den Mund. Fast hätte ich es wieder hochgehustet. Bevor du weitersprachst, nahmst du auch einen Schluck Wasser.
»Regen ist hier heilig«, fingst du an. »Wertvoller als Geld oder Edelsteine. Regen ist Leben.«
Du hieltst die Finger gegen meine Schläfen. Der sanfte Druck machte es einfacher, dich anzuschauen; ich konnte die Augen jetzt leichter offen halten.
»Wenn in diesem Land Regen fällt«, sagtest du, »vermischt er sich mit dem Sand und färbt die Flüsse rot. Flussbetten, die monatelang trocken waren, werden lebendig und führen blutrotes Wasser, sind wie Adern im Sand … sie schaffen Leben. Es ist, als ob das Land wieder
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