Ich wuenschte, ich koennte dich hassen
lebendig wird und mit seinem lebensspendenden Blut alles überflutet.«
Du strecktest deine Hand an den Planen vorbei nach draußen in den Regen und drücktest sie dann in den Boden. Als du sie mir wieder vor die Augen hieltst, war sie verschmiert mit rotem Lehm. Du strichst mir damit über die Stirn, über die Wangen und quer über die Lippen. Ich spürte das Reiben der Sandkörner auf meiner Haut und roch die eisenhaltige Erde und den frischen Regen. Irgendwie half mir das, wach zu bleiben.
»Wenn hier Regen fällt, krabbeln Tiere aus der Erde, die seit Monaten, manchmal sogar Jahren nicht mehr da gewesen sind. Pflanzen kommen aus dem Sand. Wurzeln fangen an zu blühen.«
Deine Finger bewegten sich über meine Wangen. Ich spürte deine kurzen Fingernägel auf meiner Haut, sie trommelten wie Regentropfen und hielten mich wach. Flüsternd sprachst du weiter. Ich musste mich anstrengen, um deine Worte zu verstehen, bevor sie im prasselnden Regen untergingen.
»Es gibt einen Brauch hier, wenn es regnet«, sagtest du. »Die Frauen tanzen wild spritzend am Ufer der strömenden roten Flüsse. Dabei läuft ihnen Blut an den Beinen runter … das Regenblut und ihr eigenes. Hier draußen blutet nicht nur das Land … auch wir bluten.«
Deine Finger bewegten sich weiter nach unten und streiften meine Lippen. Sie schmeckten salzig. Ein Sandkorn schlüpfte mir in den Mund. Du riebst die rote Erde auf meinen Hals und die Schultern, massiertest sie in meine Haut ein. Ein Regentropfen fiel mir auf die Stirn und ich spürte, dass er beim Herunterrinnen an meiner Wange rote Erde aufnahm. Ich fühlte mich wie einer von den Bäumen, die ich hatte bluten sehen, als ich in den Sanddünen gestrandet war; auch aus meiner Haut strömte rubinrotes Harz.
Wieder hörte ich dieses Grollen, als würde sich irgendwo in der Ferne die Erde öffnen und etwas verschlingen. Sofort drehtest du den Kopf von mir weg, in die Richtung, aus der das Grollen kam. Du blicktest prüfend auf die Planen, vergewissertest dich, dass alles in Ordnung war.
»So ist das also«, murmeltest du. »Regen ist der Weg, durch den die Wüste sich verändert. Überall um uns herum breiten sich Pflanzen aus, Insekten paaren sich … alles lebt wieder.«
Dein Gesicht waberte. Du sprachst weiter, aber ich konnte deine Worte nicht mehr hören. Deine Lippen waren nichts als Raupen, die in deinem Gesicht herumkrochen. Ich glitt weg. Meine Haut war schwer und aufgequollen wie die einer Made, ein dumpfer Schmerz hatte meine Muskeln erfasst. Auch ich brauchte den Regen, damit er mich am Leben hielt.
Schließlich hast du mich wieder auf die Trage manövriert und die Bandagen und das Seil um mich festgezogen. Der Schmerz knirschte in meinem Innern, als würden starke Hände meinen Magen auswringen wie ein Tuch.
»Mach die Augen auf«, sagtest du. »Mach sie auf.«
Deine Haare hingen mir ins Gesicht. Aus ihren Strähnen tropfte Wasser auf meine Nase. Du befahlst der Kamelstute aufzustehen. Sie protestierte grollend. Du klopftest mit dem Stock auf ihre Hinterhand und schon spürte ich, wie sie schwankte und sich erst auf die Hinterbeine, dann auf die Vorderbeine erhob.
»Nun komm schon, Mädchen«, riefst du.
Es regnete immer noch, aber nur ein bisschen; die Tropfen wirkten so leicht wie die eines Rasensprengers. Ich öffnete den Mund und spürte das Wasser auf der Zunge und den Zähnen. Ich glaube, das war das Einzige, was mir noch Halt gab, dieser Regen. Jeder Tropfen wirkte wie Medizin, heilte mich … hielt mich bei Bewusstsein. Der Regen fiel, das Kamel rannte.
Nach einer Weile – ich habe keine Ahnung, wie lang es dauerte – kamen wir zum Auto. Unter einer kleinen Baumgruppe in der Nähe hast du das Kamel angewiesen, sich abzulegen, und mich losgemacht. Dann führtest du das Kamel von uns weg. Ich hörte das Kreischen und Rumpeln des Motors, als du versuchtest, den Wagen in Bewegung zu setzen; ich hörte die klagenden Rufe des Kamels. Verzweifelt bemühte ich mich, die Augen offen zu halten. Ich betrachtete den Himmel – jetzt war er wieder blaugrau – und ich betrachtete die Bäume. Die blutigen Adern waren immer noch auf der Rinde, genau wie vorher. Insekten holten sich dort ihre Nahrung, tranken von dem roten Harz. Auch auf mir landeten Fliegen, sie brummten und krabbelten überall auf meinem Körper herum. Ich roch die Feuchtigkeit in der vom Regen durchtränkten Erde. Das Auto heulte und knurrte, während es sich gegen den Sand stemmte. Du riefst dem
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