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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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ich sogar, ob ich vielleicht einen Hörschaden hätte. Es kam mir vor, als wären alle Geräusche, die mir vertraut waren, einfach abgetrennt und weggeschmissen worden. Im Vergleich zu dem Lärm, der einen in London bombardierte, gab mir die Wüste das Gefühl, taub zu sein.
    Nach ein paar Stunden kamst du dann zurück ins Haus. Du kochtest Tee und machtest Frühstück, wovon du mir immer etwas anbotst. Es war ein Haferbrei auf Wasserbasis, mit so was wie gebratenem Fleisch obendrauf. Danach gingst du für den Rest des Tages wieder raus. Ich beobachtete dich, wie du die gut dreißig Meter bis zu dem einen Schuppen zurücklegtest. Die Tür vom Schuppen war immer geschlossen. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was du dort drinnen wohl triebst den ganzen Tag über. Vielleicht hattest du da noch mehr entführte Mädchen versteckt. Oder noch Schlimmeres.
    Ich fand heraus, wo der dunkelste und kühlste Ort im Haus war: die Ecke im Wohnzimmer direkt neben dem Kamin. Ich setzte mich dorthin und überlegte, wie ich von hier abhauen könnte. Ich war wild entschlossen, nicht aufzugeben. Mir war klar, dass alles zu Ende wäre, wenn ich das tat. Wenn ich aufgab, war ich so gut wie tot.
    Du versuchtest mit mir zu reden, wenn du zurück ins Haus kamst, aber das funktionierte nicht besonders gut. Ich konnte allerdings nichts dafür. Schon allein wenn du mich nur ansahst, verkrampfte ich mich und mein Atem ging schneller. Wenn du mit mir sprachst, wollte ich am liebsten laut losschreien. Aber ich stellte mir selbst kleine Aufgaben. Ich zwang mich zum Beispiel, dich genau anzugucken. Oder ich fragte dich irgendwas. Und am Abend vom dreizehnten Tag brachte ich es sogar fertig, mit dir zusammen zu essen.
    Es dämmerte, als ich die Küche betrat. Über dem Herd brannte eine schwache elektrische Lampe, eine der wenigen hier im Haus; Nachtfalter und andere kleine Insekten stießen dagegen. Du brauchtest dieses Licht zum Kochen. Vornübergebeugt standst du da, warfst Zutaten in einen Topf, rührtest schnell darin herum. Sonst war das Zimmer nur von Petroleumlampen und Kerzen erhellt, die bewegte Schatten auf die Wände malten. Du lächeltest, als du mich sahst, aber in dem spärlichen Licht wirkte dein Gesicht wie eine Grimasse.
    Ich setzte mich an den Tisch. Du legtest mir eine Gabel hin. Ich nahm sie, mit zitternder Hand, und legte sie gleich wieder weg. Ich schaute in die Dunkelheit auf der anderen Seite der Fensterscheibe. Du holtest zwei Schalen und fülltest sie mit Essen. Sorgfältig suchtest du die besten Happen für mich aus. Die Portion war viel zu groß und das Essen roch durchdringend nach weißem Pfeffer. Ich musste husten.
    Es war Fleisch drin; vielleicht Huhn, vielleicht auch was anderes. Jedenfalls viel Fett und Knorpel, sogar kleine Knochenstückchen. Ein Bein ragte aus der Mitte hoch. Egal was für ein Tier das war – du hattest es jedenfalls ganz verwendet und nicht bloß Teile davon, das war klar. Auf der Suche nach Gemüse pickte ich mit der Gabel in der Schale herum. Ich fand ein paar kleine, erbsenartige Dinger, die verschrumpelt und hart waren. Meine Hand zitterte immer noch. Vor lauter Zittern schlug ich mit der Gabel andauernd gegen den Rand der Schale. Schließlich entdeckte ich etwas, das wie ein Stück Karotte aussah, und kaute es.
    Ich hatte aufgegeben zu hungern. Wenn du mich vergiften wolltest, hättest du das längst getan. Aber das Essen schmeckte mir einfach nicht. Und natürlich merktest du das. Alles, was mit meiner Gesundheit zu tun hatte, fiel dir auf.
    »Du isst zu wenig«, sagtest du.
    Ich senkte den Blick auf die zitternde Gabel. Meine Kehle war wie zugeschnürt, es fiel mir schwer zu schlucken. Außerdem kam mir dieses Essen vor, als hätte mir jemand den Inhalt von einem Abfalleimer in den Mund gekippt. Aber das sagte ich dir natürlich nicht. Still sah ich zu, wie du dir Gabel für Gabel in den Mund schobst. Deine Art zu essen erinnerte mich an einen Straßenköter. Gierig schlangst du die Mahlzeit herunter, als ob sie das Letzte wäre, was du in den Magen bekämst. Du packtest einen Knochen und hast ihn abgenagt, das Fleisch fetzenweise mit den Zähnen weggerissen. Ich stellte mir vor, wie sich diese Zähne in mich hineingruben und mein Fleisch zerfetzten. Ich schob die Knochen in meiner Schale zur Seite.
    Der Mond stieg langsam am Himmel hoch; ein schmaler Lichtstreifen fiel auf den Boden. Ums Haus herum begannen die Grillen mit ihrem Zirpen, das sich endlos wiederholte. Ich malte mir aus,

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