Ich wuenschte, ich koennte dich hassen
ich ihn schnell in den Mund zu schieben und verbrannte mir dabei die Lippen. Du holtest mir ein Glas Wasser.
»Können wir los?«
Ich nickte und trat hinaus ins Sonnenlicht. Die Hitze hielt sich um diese Tageszeit noch in Grenzen, trotzdem begannen mich die Sonnenstrahlen schon im Nacken zu kitzeln. Schwankend stand ich einen Moment lang auf der Holzkiste, legte mir die Hand über die Augen und schaute mich um. Er war so groß, dieser Ausblick, unvorstellbar groß. Ich werde mich nie mehr wirklich an ihn erinnern können. Wie soll man sich an etwas so überwältigend Großes erinnern? Ich glaube, das Gehirn normaler Menschen ist für Erinnerungen dieser Art nicht geschaffen. Es kommt klar mit Telefonnummern oder der Haarfarbe von Leuten. Aber nicht mit solcher Größe.
Du kicktest in den grobkörnigen Sand neben der Kiste. Er war rot, ein dunkles Rot wie von Rost. Es kam mir vor, als wäre er nicht aus verwitternden Felsen entstanden, sondern aus Blut. Mit dem geschmeidigen Sand von Stränden hatte er nicht das Geringste zu tun. Du gingst ein paar Schritte und fuhrst mit dem Finger durch die Staubschicht auf der Hauswand, was eine krakelige Spur auf dem Holz hinterließ. Ich sprang von der Kiste und folgte dir. Auf den paar Metern bis zur Ecke des Hauses fielen mir zum ersten Mal die großen Betonblöcke auf, auf denen es ruhte. Darunter musste es einen dunklen, wahrscheinlich angenehm kühlen Raum geben, gerade groß genug, um reinkriechen zu können. Du gingst in die Hocke und schobst einen Stock in die Lücke zwischen zwei Blöcken.
»Immer noch da«, hast du gebrummelt. »Aber zu weit drin, um sie zu schnappen.«
»Wer?«
»Eine Schlange.«
Ich machte einen Satz zurück. »Was für eine Schlange? Kann sie ins Haus?«
Du schütteltest den Kopf. »Glaub nicht.« Du warfst mir einen Blick zu. »Achte drauf, dass du immer Stiefel trägst, wenn du draußen rumläufst, okay?«
»Warum? Ist es gefährlich hier?«
Du kniffst ein Auge gegen die Sonne zu und sahst mich prüfend an. »Ach was«, sagtest du. »Geht schon in Ordnung.« Du hast dich wieder aufgerichtet; deine Knie waren rötlich braun geworden. »Zieh einfach Stiefel an.«
Du legtest den Kopf gegen die Hauswand und schautest blinzelnd an ihr entlang. Von hier aus wirkte das Haus wacklig und unordentlich, wie ein großer Haufen Treibholz. Du sprangst hoch, packtest den Rand vom Blechdach und hievtest dich nach oben, um eine Reihe von glänzenden Platten anzuschauen.
»Daher kommt unser Strom«, sagtest du. »Und auch das heiße Wasser.«
Ich kniff die Augen zusammen.
»Solarenergie«, erklärtest du, und weil ich immer noch verständnislos guckte, fügtest du hinzu: »Ist doch klar, dass wir hier nicht am Stromnetz hängen.«
»Wieso nicht?«
Du warfst mir einen Blick zu, als wäre ich komplett bescheuert. »Hier draußen hat die Sonne so viel Kraft wie Pluto. Irgendwas anderes als Energiequelle zu verwenden, wäre Schwachsinn. Bloß hatte ich bis jetzt nicht die Zeit, das hier richtig zusammenzubauen.« Du wackeltest an ein paar Drähten herum, die in die Wand hineinliefen, um zu prüfen, ob alles in Ordnung war. »Aber dann kann ich im Haus auch mehr Lampen anschließen, wenn du willst.«
Ich spürte, wie sich Schweißtropfen auf meiner Stirn bildeten. Obwohl es noch früh war, drang die Hitze schon durch mein T-Shirt und ließ meine Achseln kribbeln. Du sprangst zurück in den Sand, mit einem dumpfen Geräusch beim Aufkommen.
»Willst du den Kräutergarten sehen?«, fragtest du.
Du liefst über den Sand zu den beiden Schuppen. Ich folgte dir und suchte dabei die Landschaft ab, nach irgendwas oder irgendwem … nach einem Anzeichen von Bewegung. Du gingst zu einem kleinen umzäunten Areal hinter dem Geländewagen. Der Boden war vor kurzem umgegraben worden.
»Da ist er«, sagtest du. »Allerdings geht’s den Kräutern nicht so besonders.«
Ich betrachtete die vertrockneten Stängel. Sie erinnerten mich an den Kräutergarten meiner Mutter, den sie irgendwann mal in den Terrakottatöpfen auf unserer Terrasse angelegt hatte. Mum war keine gute Gärtnerin.
»Die sind praktisch hinüber«, sagte ich.
Ich ging in die Knie, steckte meine Hände zwischen den Zaunpfählen durch und befühlte die Erde. Sie war hart wie Beton. Letztlich hatte ich mich um Mums Kräutergarten gekümmert und hingekriegt, dass Petersilie und Minze wuchsen … na ja, zumindest bis zum nächsten Winter.
»Es war blöd, ihn hier anzulegen«, sagtest du und zupftest
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