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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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was wäre, wenn ich alles vernichtete? Würdest du dann losfahren, um Nachschub zu besorgen? Ich strich mit der Hand über die Rückenlehne eines Stuhls, der ordentlich unter den Tisch geschoben war.
    »Wie lange reicht das?«, fragte ich und betrachtete das Essen. Ich schätzte, es war genug für ein Jahr. Vielleicht auch für länger.
    Du zucktest mit den Schultern. »Draußen im Schuppen ist noch mehr«, sagtest du. »Viel mehr.«
    »Und wenn das auch verbraucht ist?«
    »Das dauert lang. Sehr lang.«
    Mir wurde flau. Ich sah, wie du bedächtig den Wasserhahn aufdrehtest, bis ein dünner Wasserstrahl herausströmte.
    »Außerdem haben wir noch die Hühner«, sagtest du. »Und wenn du …«, du hast kurz innegehalten und nach dem passenden Wort gesucht, »… dich eingewöhnt hast, können wir einen Walkabout machen und unterwegs Buschnahrung sammeln. Außerdem sollten wir irgendwann ein Kamel einfangen oder am besten gleich zwei, ein Pärchen.«
    »Ein Kamel?«
    Du nicktest. »Wegen der Milch. Wir könnten wahrscheinlich auch eins erlegen, falls du Fleisch willst.«
    »Kamelfleisch? Das ist doch komplett verrückt.«
    Ich bemerkte den warnenden Ausdruck in deinen Augen und sah, wie sich deine Schultern anspannten. Darum hielt ich den Mund und umklammerte die Stuhllehne.
    Als du dir die Hände gewaschen hast, verfärbte sich das Wasser rötlich braun, wie Blut. Ich sah zu, wie es den Abfluss runterwirbelte. Mit einer Bürste schrubbtest du den Dreck unter deinen Fingernägeln weg. Ich fühlte mich an diesem Tag ein bisschen mutiger, zum ersten Mal, seit ich hier war. Ich wollte mehr über dich wissen, keine Ahnung, warum. Es kam mir auch so vor, als würdest du mich nicht mehr ganz so gnadenlos überwachen. Also ging ich um den Küchentisch und blieb neben der abgesperrten Schublade stehen.
    »Warum ist die abgeschlossen?«, fragte ich.
    »Zu deiner eigenen Sicherheit. Nachdem das mit dem Handgelenk passiert ist …« Du führtest den Satz nicht zu Ende, sondern wandtest dich wieder dem Waschbecken und deinen Händen zu. »Ich will nicht, dass du dich verletzt.«
    »Was ist drin?«
    Darauf hast du mir nicht geantwortet. Als ich wieder an der Schublade zu rütteln begann, machtest du stattdessen plötzlich einen Schritt vom Waschbecken zurück, stürztest dich auf mich und packtest mich um die Taille. Du zerrtest mich zurück, quer durch die Küche und den Gang entlang. Ich kreischte und trat wild um mich, aber du zogst mich einfach weiter, bis wir in meinem Zimmer waren. Dort warfst du mich aufs Bett. Schnell kroch ich von dir weg. Ich fummelte nach dem Messer in meiner Tasche. Aber bis ich es draußen hatte, warst du schon durch die Türöffnung verschwunden.
    »In einer halben Stunde gibt’s was zu essen«, sagtest du und schlugst die Tür hinter dir zu.
     
     
    In dieser Nacht lag ich da und umklammerte das stumpfe Messer, die Laterne neben mir. Die Vorhänge waren geöffnet, der Mond leuchtete ins Zimmer. Eins wusste ich genau: Du würdest mir nichts antun, ohne dass ich mich wehrte.
     
     
    Ich beobachtete dich genau, lernte deine Gewohnheiten kennen. Wenn ich von hier wegwollte, musste ich mehr über dich und diesen Ort in Erfahrung bringen. Ich suchte nach Mustern in dem, was du tatst. Die ganze Zeit über hatte ich Angst, an manchen Tagen konnte ich kaum denken vor lauter Panik, aber ich zwang mich, vernünftig zu sein.
    Ich benutzte das Messer, das ich mir genommen hatte, um Kerben seitlich ins Bett zu ritzen. Ich wusste nicht genau, wie viele Tage schon vergangen waren, so etwa zehn, schätzte ich. Also machte ich zehn kleine Vertiefungen ins Holz. Ein Außenstehender, der dieses Bett sah, konnte auf die Idee kommen, bei der Zählung ginge es darum, wie oft wir Sex gehabt hatten.
    Dein Tagesablauf war einfach. Du standest früh auf, solange es noch kühl war, zu einer Zeit, in der das Licht graublau und schattig wirkte. Nachdem du dich im Bad gewaschen hattest, gingst du nach draußen. Manchmal hörte ich dich in der Nähe der beiden Schuppen hämmern und klopfen, das Echo dieser Geräusche hallte in der Stille wider. An anderen Tagen dagegen hörte ich gar nichts. Ich spitzte angestrengt die Ohren, um das Brummen eines Motors aufzuspüren, lauschte auf ein Auto oder ein Flugzeug, das näher kam. Ich staunte, als mir klar wurde, dass ich mich nach einer Autobahn sehnte. Aber ich hörte nie irgendwas. Es war verrückt, wie still es hier war. Daran war ich nicht gewöhnt. Ein paar Tage lang überlegte

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