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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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ließ. Ich fand es gut, einen Hauch von Macht über dich zu haben.
    Du schütteltest den Kopf. Ich glaube, du wolltest eigentlich nicht darüber reden, wolltest mich aber auch nicht ignorieren, weil ich jetzt endlich wieder mit dir sprach.
    »Nein, ich hab überhaupt nie ein andres Kind gesehen, bis ich von dort weg bin«, sagtest du schließlich. »Ich dachte, ich wär das einzige auf der Welt. Na ja, Mrs Gee hat mir schon erzählt, dass es noch mehr gibt, aber ich wollte ihr nicht glauben.« Dein Mund verzog sich zu etwas, das man fast für ein Lächeln hätte halten können. »Ich hab mir eingebildet, ich hätte eine besondere Kraft, durch die ich kleiner bleiben konnte als alle andern. Ich hatte auch nie das Gefühl, jünger zu sein, sondern nur kleiner.«
    »Du hast also nie mit andern Kindern gespielt?«
    »Nein, ich hatte nur das Land.«
    »Und was war mit deinem Dad?«
    Du schnaubtest. »Der hat mit keinem gespielt, jedenfalls nicht nachdem Mum weg war.«
    Ich schwieg und dachte nach. Als ich klein gewesen war, hatte es jede Menge Kinder um mich gegeben. Oder? Als ich in die Schule ging, natürlich schon – aber wie war es vorher gewesen? Und wenn ich genau überlegte, konnte ich mich nicht daran erinnern, dass während meiner Schulzeit öfter andere Kinder bei uns gewesen wären. Ich war dauernd krank gewesen, als ich klein war, und Mum hatte mich in ihrer Nähe haben wollen. Bevor ich zur Welt kam, hatte sie so was wie einen Zusammenbruch gehabt. Zumindest hatte mir Dad das mal erzählt. Sie hatte eine Fehlgeburt gehabt, vielleicht sogar mehrere; darum wollte sie mich nicht auch noch verlieren. Ich zog eine Grimasse, als mir klar wurde, dass genau das jetzt passiert war. Mum hatte mich verloren.
    Ich sah dich wieder an, hasserfüllt. Du hattest das Wasser getrunken und starrtest einfach nur vor dich hin, mit dem leeren Glas in der Hand. Irgendwann fingst du wieder zu reden an. Du sprachst derart leise, dass ich mich vorbeugen musste, um dich zu verstehen.
    »Nach einer Weile ist Dad dann regelmäßig in die Stadt gefahren, wegen Geschäften und so«, sagtest du. »Hat Vieh verkauft, allerdings nicht gegen Geld, sondern für Alkohol und Drogen, für alles, was ihm beim Vergessen geholfen hat. Er hat sich verändert in dieser Zeit. Hat sich nicht mehr richtig um sein Land und sein Vieh gekümmert … und um mich auch nicht.«
    Du richtetest den Blick auf dein leeres Glas. Als würdest du gleich reingehen und neues Wasser holen. Ich weiß nicht, warum, aber auf einmal wollte ich weiter mit dir reden. Vielleicht setzte mir die Langeweile zu oder ich hatte schlicht das Bedürfnis, mit einem Menschen zu sprechen … notfalls sogar mit dir. Keine Ahnung. Vielleicht wollte ich auch einfach nur Lücken in deiner Geschichte aufspüren.
    »Was hast du gemacht?«, fragte ich rasch. »In der Zeit, als dein Dad weg war, musst du doch irgendwas gemacht haben?«
    Stirnrunzelnd schautest du mich an und versuchtest zu ergründen, worum es mir ging. »Glaubst du mir nicht?«, fragtest du. Du tipptest mit dem Rand von deinem Glas gegen die Armlehne, während du überlegtest. Schließlich sagtest du achselzuckend: »Ist doch egal.«
    Du zogst deinen Tabakersatz und das Zigarettenpapier heraus und drehtest dir eine. Die Grillen begannen zu zirpen und du warst schon fast fertig mit dem Rauchen, als du endlich wieder zu sprechen anfingst.
    »Du willst also wissen, was ich gemacht habe«, sagtest du mit belegter Stimme. »Die meiste Zeit über hab ich mich im Busch rumgetrieben und versucht, wie die Oldfellas zu leben. Ich bin dürr und krank geworden und hab draußen geschlafen. Tagelang hat mich keiner zu Gesicht gekriegt, manchmal sogar wochenlang. Einmal war ich so am Ende, dass ich ein Kalb von Dad töten musste; hab ich ihm aber nie erzählt.« Auf einmal hattest du ein Grinsen im Gesicht und wirktest ganz jung. »Meistens hab ich einfach Eidechsen gegessen … wenn ich Glück hatte.« Du blicktest in den Himmel, als würdest du dort etwas suchen. »In den Sternen da oben habe ich Bilder gesehen, so gut kannte ich sie.«
    Ich erinnerte mich an die Sterne in der Nacht, als ich versucht hatte abzuhauen und in den Separates gewesen war. Von der Kälte abgesehen war das kein schlechter Ort zum Schlafen.
    »Wie hast du Wasser gefunden?«, wollte ich wissen.
    »Das ist ganz einfach. Wenn du nach Pflanzen Ausschau hältst, findest du auch Wasser … so wie die Quelle zwischen den Felsen.«
    Ich dachte an das klare kleine

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