Ich wuenschte, ich koennte dich hassen
gekrallt, bis es knarrte. »Keiner wusste, wer ich war«, fügtest du hinzu. »Nicht wirklich. In der Stadt hab ich noch mal von vorn angefangen mit dem Leben, mit nichts als Dreck.«
Eine tiefe Falte hatte sich in deine Stirn gegraben. Du hattest die Schultern nach oben gezogen, dein Nacken wirkte total angespannt. Mir wurde klar, dass ich dich allmählich kannte, dass ich langsam wusste, wann du nervös oder wütend warst und wann bedrückt. Du strichst dir mit der Hand über die Wange, als wolltest du die runzlige Narbe glätten. Ich beugte mich ein Stückchen zu dir vor.
»Dann bist du also auch irgendwie verschleppt worden«, sagte ich leise. Ich behielt die Nerven und erwiderte deinen Blick. Deine Augen zogen sich zusammen. Du wusstest ganz genau, was ich meinte. Sie hatten dich mitgenommen, so wie du mich mitgenommen hattest. »Hast du das mit mir gemacht, um ihnen was heimzuzahlen?«
Lange bliebst du still. Aber ich blickte dich weiter an. Ich sah, dass du nicht ausrasten würdest, und das machte mich ziemlich mutig. Am Ende warst du derjenige, der zuerst wegguckte.
»Nein«, sagtest du. »So ist das nicht. Ich hab dich vor diesen ganzen Sachen bewahrt. Nicht verschleppt, sondern gerettet.«
»Ich wünschte, du hättest das nicht getan.«
»Sag das nicht.«
Du blicktest mich wieder an, mit weit aufgerissenen Augen, fast flehend. »Dieser Platz hier ist besser als der von Dad«, sagtest du nachdrücklich. »Das Land gehört keinem, nicht mal uns. Also wird auch keiner Ansprüche erheben. Dieses Land ist dabei, zu sterben.«
»Genau wie ich«, sagte ich.
»Ja, wie du.« Du kautest auf deiner Lippe herum. »Ihr müsst beide gerettet werden.«
In dieser Nacht konnte ich nicht schlafen. Dabei war gar nichts Ungewöhnliches los. Ich starrte an die Decke und lauschte dem Ächzen und Knarren des Hauses, das klang, als wäre es lebendig. Ein gigantisches Tier, das im Sand lag, und wir waren in seinem Bauch.
Ich überlegte, wie ich dich umbringen könnte. Ich malte mir die gurgelnden Töne aus, die du von dir geben würdest, wenn ich irgendwas Spitzes seitlich in deinen Hals rammte. Ich malte mir aus, wie das Blut herausspritzte, mir über die Hände lief und den Holzboden verfärbte. Ich malte mir aus, wie deine blauen Augen hart und unbeweglich wurden.
Doch diese Fantasien brachten mir keinen Schlaf. Darum versuchte ich mir auszudenken, was ich zu meinen Eltern sagen würde, falls ich sie jemals wiedersah – hauptsächlich Entschuldigungen.
Tut mir leid, dass ich Mums Lieblingsvase kaputt gemacht habe.
Tut mir leid, dass ich an diesem einen Tag betrunken war und ihr mich erwischt habt.
Tut mir leid, dass wir uns am Flughafen gestritten haben.
Tut mir leid, dass ich entführt worden bin.
Tut mir leid, tut mir leid, tut mir leid …
Und dann war ich auf einmal im Park. Ich warf mich wild hin und her, wollte diesem Traum unbedingt entkommen, aber es war zu spät.
Ich lief schnell. Ein warmer, dumpfer Geruch von Erde stieg mir in die Nase … die Überreste eines lauen Sommerabends. Winzige Mücken tanzten in der Luft, verfingen sich in meinen Haaren und flogen mir in die Augen.
Er war da, nur ein paar Meter weit weg. Und er kam immer näher. Er verfolgte mich. Ich hörte, wie die Beine seiner Jeans beim Gehen aneinanderrieben, hörte seine stampfenden Schritte. Ich ging schneller. Ich blickte auf die Bäume und Sträucher ringsum in der Hoffnung, etwas zu entdecken, das ich wiedererkannte, aber sie standen nur dicht und dunkel da und rauschten und rauschten.
Er war inzwischen so nah, dass ich seinen Atem hören konnte; er schnaufte heftig, anscheinend eine Sommergrippe. Ich bog falsch ab und bewegte mich jetzt auf den Teich zu. Er schniefte. Jetzt war er direkt hinter mir, redete auf mich ein, wollte mich dazu bringen, langsamer zu gehen. Aber ich begann zu rennen. Das war eigentlich blöd, denn ich kannte diesen Typen ja. Und außerdem kam ich auf diesem Weg sowieso nicht aus dem Park raus – er führte direkt zum Teich. Ich rutschte ständig auf dem Rindenmulch aus und mein Atem ging immer schneller. Und das Wasser war so nah, es kam rasend schnell auf mich zu.
Sein Schatten erreichte mich, überholte mich, hüllte meinen ein. Ich wollte mich gerade umdrehen und überlegte fieberhaft, was ich sagen könnte … über die Schule oder über Anna, irgendwas eben.
Da blieb er stehen. Und ich sah ihn an. Nur war es diesmal nicht er , sondern du.
Du trugst das karierte
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