Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
Vom Netzwerk:
Wasserloch und an meine Angst, es könnte irgendwas drin sein, was meinen Magen auffressen würde. »Ist das denn Trinkwasser?«, fragte ich.
    Du beugtest den Kopf zu dem Glas hin, das neben meinen Füßen stand. »Wo soll das hier sonst herkommen? Was meinst du, wohin dieses Rohr führt?« Du zeigtest auf die lange Rohrleitung, die aus dem Haus herausführte. »Ich hab sie gelegt.«
    »Glaub ich dir nicht.«
    »Du glaubst mir nie.«
    Du bist von der Armlehne gerutscht und hast dich richtig aufs Sofa gesetzt, näher zu mir. Sofort wich ich zurück, aus lauter Gewohnheit. Darüber musstest du lachen. Du lehntest dich bequem zurück, versuchtest aber nicht, noch näher zu kommen.
    »Als Dad die Stadt für sich entdeckt hat und anfing, darin einzutauchen, ging alles bergab. Die Farm hat sich nie mehr davon erholt. Er hat das Land vergessen, mich vergessen … hat die Arbeiter entlassen und Mrs Gee auch. Ab und zu hab ich ihn gesehen, in den Nächten, die ich in meinem Bett verbracht habe. Aber ich weiß nicht, ob er überhaupt was von mir mitgekriegt hat, besoffen und zugedröhnt, wie er die meiste Zeit über war. So ging das eine ganze Weile. Und irgendwann ist Dad nicht mehr aus der Stadt zurückgekommen.« Du warfst einen Blick auf mein volles Wasserglas. »Trinkst du das?«, fragtest du.
    Ich betrachtete das braune Wasser, in dem kleine schwarze Teilchen schwammen, und schüttelte den Kopf. Du beugtest dich vor und nahmst das Glas. Ich schaute zu, wie du hastig das Wasser trankst; dein Adamsapfel bewegte sich auf und ab wie ein Kolben.
    »Wie meinst du das – er ist nicht mehr zurückgekommen?«
    Du riebst die Lippen aneinander, um sie zu befeuchten. »Er war halt weg. Verschwunden. Hat sich verpisst!«
    »Wie alt warst du da?«
    »Keine Ahnung«, sagtest du. »Geburtstage gab’s bei mir nicht groß. Vielleicht elf oder so. Alle andern waren schon lange weg, nur ich war noch übrig auf der Farm. Hat schätzungsweise ein Jahr gedauert, bis irgendwer draufgekommen ist und mich eingefangen hat.«
    »Eingefangen?«, wiederholte ich. Verlegen zucktest du mit den Achseln. »Wolltest du denn nicht, dass sich jemand um dich kümmert?«
    »Nö, wieso denn? Konnte ich doch selbst.« Du zogst die Augen zusammen. »Ich hab sie ganz schön lang hingehalten. Die haben echt alles versucht: Bestechung, andre Kinder, sogar einen Priester haben die geschickt. Aber am Ende mussten sie mich mit einem Netz fangen wie ein Tier. Um mich zu beruhigen, haben sie sogar die gleichen Geräusche gemacht wie bei einem Tier. Zuerst dachten sie, ich könnte nicht sprechen, zumindest kein Englisch. Wahrscheinlich haben sie geglaubt, ich wäre einer von den Oldfellas, also ein Aborigine … so dunkel war ich von der Sonne.« Du hast ein wenig gelächelt bei diesem Gedanken.
    »Was haben sie mit dir gemacht?«
    Sofort verdunkelten sich deine Augen und deine Lippen krampften sich zusammen, als wärst du wütend über diese Frage. »Die haben mich in die Stadt geschafft, mich hinten in eine Art Lieferwagen geworfen … du weißt schon, einen von denen, mit denen man Verbrecher transportiert. Da haben sie mich dann in ein Kinderheim gesteckt. In ein Zimmer ohne Fenster, knallvoll mit andern Kindern. Sie wollten wissen, wie ich heiße, aber ich hab einfach gar nichts gesagt. Also haben sie mich Tom genannt.«
    »Tom?«
    »Ja, ein paar Monate lang. Sie haben entschieden, wie alt ich bin und was ich anzuziehen habe. Weil ich mit keinem reden wollte, haben sie versucht, einen andern Menschen aus mir zu machen … Ich wünschte, sie hätten mich nie geschnappt.«
    Ich fragte mich, was wohl passiert wäre, wenn sie das nicht getan hätten. Würdest du dann immer noch in der Wildnis herumstreifen, irgendwo in der Nähe von der Farm deines Vaters? Hättest du mit der Zeit das Reden ganz verlernt? Vielleicht wäre dir das egal gewesen.
    »Wann hast du wieder angefangen zu sprechen?«
    »Als sie einen von diesen Psychos auf mich angesetzt haben. Ich hab denen ziemlich schnell klargemacht, wo’s langgeht.« Du zucktest mit den Schultern. »Außerdem hab ich dort Kämpfen gelernt.«
    »Aber sie haben dich trotzdem geknackt?«
    »Sie haben bloß rausgekriegt, wie ich heiße«, fauchtest du. »Und dann haben sie irgendwann in Erfahrung gebracht, dass meine Mutter sich nach Europa abgesetzt hat und mein Vater in einer Kneipe verreckt ist. Da war die Farm schon komplett draufgegangen für seine Schulden.« Wütend hast du mich angestarrt und dich ins Sofa

Weitere Kostenlose Bücher