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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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bis zum Wasserloch. Mit energischen, festen Schritten liefst du durch die hochgewachsenen struppigen Gräser.
    »Gibt’s hier Schlangen?«, fragte ich.
    Du nicktest. »Aber wenn man genug Krach macht, verschwinden sie. Eigentlich haben sie selber Angst.«
    Wider Willen folgte ich dir jetzt mit weniger Abstand. Jeder Zweig auf dem Boden sah für mich wie eine Schlange aus, bis er unter deinem Tritt zerbrach.
    Am Wasserloch lehntest du dich gegen den Ast, der mich beim letzten Mal vorm Reinfallen bewahrt hatte. Du fuhrst mit der Hand über seine geschmeidige Rinde.
    »Roter Eukalyptus«, sagtest du, als wolltest du mich mit ihm bekannt machen. »Hilft mit, die Kacke aus unserm Wasser zu filtern.«
    Du knietest dich an den Rand des Wasserlochs und tauchtest deine Hand ins Wasser, prüftest die Leitung. Dann zogst du in einer einzigen schnellen Bewegung dein Hemd aus.
    »Hast du Lust zu schwimmen?«, fragtest du. »Ich muss nach der Quelle schauen.«
    Rasch schüttelte ich den Kopf und zwang mich, von deiner Brust wegzugucken, die durch und durch muskulös und tiefbraun war. Ich hatte noch nie zuvor jemanden erlebt, der derart durchtrainiert und perfekt aussah, aber ich wusste, dass deine Stärke für mich nichts Gutes bedeutete. Mein Herz begann laut zu klopfen, als ich mir vorstellte, was du mir mit deiner Kraft alles antun konntest. Statt dich weiter anzustarren, blickte ich Richtung Boden. Große schwarze Ameisen krabbelten um meine Stiefel herum. Eine von ihnen war gerade auf dem Weg zu meinem Knöchel; ich schüttelte sie hastig ab.
    »Du kannst dich ruhig da hinsetzen«, sagtest du mit einem Blick auf die Ameisen. »Ich glaub nicht, dass die beißen.«
    Dann bist du durch das Wasserloch gewatet. Bevor du unter die Oberfläche getaucht bist, sah ich dich noch mal an. Auch dein Rücken war gebräunt und fest, deine Muskeln tanzten bei jedem Schritt.
    Eine andere Ameise wollte mir am Bein hochkrabbeln, aber ich schnipste sie weg. Irgendwo hoch über mir stieß ein Vogel einen Schrei aus, der wie Hexengekicher klang. Abgesehen davon war es totenstill.
    Auf dem Rückweg war der Klang unserer Schritte auf dem Sand das einzige Geräusch. Ich brauchte etwas, das die mächtige Stille dieses Ortes durchbrach.
    »Kann ich die Hühner füttern?«, fragte ich. »Ab und zu?«
    Du hast mich ziemlich lange angeschaut, ein bisschen gelacht und dann kurz genickt.
    »Warum nicht?«, sagtest du. »Vielleicht legen sie ja dann endlich Eier.«
    Dein Hemd lag über deiner Schulter und du warst noch nass vom Bad im Wasserloch. Tropfen perlten auf deiner Haut. Auf dem Weg Richtung Haus ging ich vor dir her; ich wollte nicht, dass du merktest, wie oft ich dich anschaute.
     
     

Der achtzehnte Tag. Du warst nicht da, als ich aufstand. Ich öffnete die Tür, die von der Küche ins Freie führte, und ließ mich auf der provisorischen Treppe nieder. Ich schaute hinaus auf den Sand, den endlosen Sand, das Meer von Sand. Ich wartete – worauf, das wusste ich nicht. Um mich herum wurde der Tag immer heißer. Die Fliegen schwirrten und brummten mir um die Ohren. Ein Hitzeschleier trübte den Himmel.
    Plötzlich flog aus dem Nichts ein Schwarm kleiner, schnatternder Vögel vorbei. Ihr Schwirren und Piepsen erinnerte mich irgendwie an Kinder, die wie wild auf ihre Quietscheentchen treten. Die Vögel waren ungefähr so groß wie meine Faust, hatten einen grauen Rücken und einen blutroten Schnabel. Sie kreisten eine Zeit lang ums Haus, bevor sie Richtung Separates davonschossen. Danach wartete ich eine halbe Ewigkeit lang auf ihre Rückkehr.
     
     
    Am Tag darauf hast du auf mich gewartet.
    »Komm mit«, sagtest du.
    Ich folgte dir. Langsam begann ich die Stille im Haus zu hassen und ich hasste auch die dumpfe Niedergeschlagenheit, in die ich immer mehr versank. Aber du gingst nicht zu den Felsen, sondern rüber zum Schuppen. Ich blieb ein Stück zurück.
    »Ich will da nicht rein«, sagte ich, als du neben der Tür stehen bliebst, durch die du mich vorher geschubst hattest.
    »Komm schon«, sagtest du. »Ich will dir was zeigen.«
    Du machtest die Tür auf und gingst hinein. Ich blieb auf der Schwelle stehen. Du liefst zur anderen Seite und zogst die Vorhänge zurück. Sonnenlicht durchflutete den Raum und ließ alle Farben aufleuchten – den Sand, die Blätter und Blumen. Zuerst kam es mir wie ein einziges Wirrwarr vor. Instinktiv suchte ich die Umgebung nach Dingen ab, die mir gefährlich werden konnten. Doch ich entdeckte nichts als einen

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