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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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Haufen Steine in einer entfernten Ecke. Als du dorthin gingst, verkrampfte ich mich und machte mich fluchtbereit.
    Aber du holtest keinen Stein. Stattdessen hast du eine Wasserflasche aufgeschraubt und ein paar Tropfen auf die Steine fallen lassen. Dann hast du etwas von ihrer feuchten Oberfläche abgeschabt, auf einen kleinen Teller getan und es mit mehr Wasser zu einer dunklen Paste vermischt.
    »Was machst du da?«
    »Farbe.«
    Neben mir hing ein aus Gräsern geflochtener Korb, in dem Blätter, Beeren und Blüten lagen. Da gingst du hin, überlegtest kurz und nahmst ein paar rote Knospen. Auch sie riebst du in die Paste hinein. Du warst ruhig und konzentriert bei der Arbeit, nahmst immer wieder verschiedenfarbige Pflanzen und fügtest sie deiner Paste bei. Ich spürte, wie mir die Sonne in den Nacken stach, darum ging ich ein paar Schritte von der Tür weg in den Schuppen hinein und lehnte mich an die Wand.
    Du hattest dich auf den Boden gesetzt, die Beine vor dir ausgestreckt. Du zogst einen Pinsel hinter dem Steinhaufen hervor, tauchtest ihn in eine rostfarbene Paste und begannst, lange dünne Linien auf deinen Fuß zu malen. Das Muster erinnerte mich an die Rinde eines Baums. Deine Stirn legte sich in Falten. Ich hatte keine Angst mehr vor dir, wie du da hocktest, mit gesenktem Kopf und ganz und gar vertieft. Trotzdem behielt ich dich genau im Blick. In diesem Augenblick glaubte ich fast, dass du die Wahrheit gesagt hattest, als du mir versprachst, du würdest mir nichts tun.
    »Wie lang willst du mich noch hier festhalten?«, fragte ich ruhig.
    Du sahst nicht von deiner Arbeit auf. »Hab ich dir doch schon gesagt«, gabst du zur Antwort. »Für immer.«
    Ich glaubte dir nicht. Wie hätte ich dir auch glauben können? Wenn ich diese Antwort akzeptierte, hätte ich auf der Stelle tot umfallen müssen. Ich seufzte. Es war schon fast Mittag – eine Tageszeit, in der es unerträglich heiß wurde; auch nur ein paar Meter weit zu laufen war schon eine olympiareife Leistung. Also sah ich dir weiter zu.
    Bald zog sich die Farbe von deinem Fuß über den Knöchel bis zum Unterschenkel hoch. Auf deine Schienbeine maltest du Blätter, und rote, gezackte Gräser bedeckten deine Waden. Du lächeltest, als dir bewusst wurde, dass ich dir immer noch zuschaute.
    »Du erinnerst dich also nicht mehr an unsre erste Begegnung, stimmt’s?«
    »Wie denn auch?«, sagte ich. »Die hat’s nie gegeben.«
    Du maltest weiter die gezackten Gräser und fülltest die Zwischenräume mit Schwarz aus.
    »Es war an Ostern«, begannst du. »Frühling, in den Zweigen hing das Sonnenlicht. Es war nicht besonders kalt, zwischen den Hecken haben schon die Schlüsselblumen geblüht. Du warst zusammen mit deinen Eltern im Park.«
    »In welchem Park?«
    »Im Prince’s Park. Am Ende von eurer Straße.«
    Ich sank an der Wand entlang auf den Boden – wieder einmal schockierte mich, wie viel du über mich wusstest. Dein Blick drang tief in meine Augen, du wolltest einfach ausblenden, dass ich nichts davon wusste. Langsam hast du weitergeredet, als wolltest du so mein Erinnerungsvermögen zurückholen.
    »Deine Eltern haben vor den Rhododendronbüschen auf einer Bank gesessen und Zeitung gelesen. Sie hatten dir einen Roller gekauft, damit du spielen konntest. Aber du hast ihn auf dem Rasen liegen lassen und bist zu den Blumenbeeten gegangen. Ich hab gehört, wie du mit den Narzissen und Tulpen geredet hast; du hast den Elfen, die zwischen den Blütenblättern wohnen, Sachen zugeflüstert. In jeder Blume hat eine andere Elfenfamilie gelebt.«
    Ich schlang die Arme um meine Knie. Niemand wusste das. Ich hatte nicht mal Anna davon erzählt. Du merktest, wie erschrocken ich war, und schienst ziemlich zufrieden mit dir, als du weitersprachst.
    »Du bist vorsichtig durch die Beete gestapft und hast jede Blumenfamilie begrüßt … Moses, Patel, Smith. Später habe ich mitgekriegt, dass das die Nachnamen von andern Kindern in deiner Schule waren. Na ja, jedenfalls bist du immer weiter gelaufen, bis zu den Rhododendronbüschen. Du hast dich unter die schweren Blüten geduckt und bist ins Gebüsch gekrabbelt … in mein Gebüsch. Dort hast du mich gefunden, in meinen Schlafsack zusammengekauert und mit einer halb vollen Flasche Fusel in der Hand; wahrscheinlich war ich einigermaßen besoffen. Trotzdem hatte ich dir zugeguckt und gehört, was du sagtest. Deine kleinen Geschichten haben mir gefallen.« Du musstest lächeln. »Du hast mich gefragt, ob ich

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